Wie angedroht: China, immer wieder China

In meinem letzten Beitrag zu den aktuellen Entwicklungen im Kontext der angekündigten Fördermengenkürzungen seitens des Kartells der erdölexportierenden Staaten (OPEC) hatte ich ganz am Ende – nach einem Hinweis auf China als einen der ganz großen Profiteure von den Sanktionen des Westens gegen Russland, da die Russen ihr Erdöl zu Billigpreisen an China und Indien absetzen müssen – ausgeführt: »China, immer wieder dieses China. Wir hatten das schon kurz in der Einführungsveranstaltung angesprochen. Es wird Ihnen immer wieder begegnen, in meiner Vorlesung, aber auch in den hoffentlich vielen Jahren, die noch vor Ihnen liegen.«

Das kommt schneller, als der eine oder andere von Ihnen denkt. Denn die Beziehungen zwischen der EU mit Deutschland als größter Volkswirtschaft und China sind – nett formuliert – kompliziert. Immer häufiger können Sie warnende Stimmen hören oder lesen, die darauf hinweisen, dass wir uns ökonomisch in eine wachsende und zunehmend einseitiger werdende Abhängigkeit von diesem riesigen Land begeben haben, die sich möglicherweise bitter rächen wird, wenn sich die Beziehungen zwischen dem Westen und China, beispielsweise bei einer Einverleibung Taiwans durch die Volksrepublik China, dramatisch verschlechtern würden. Dagegen wären die Folgen der Sanktionen gegen Russland wahrscheinlich nur eine Kleinigkeit.

Nun ist es sicher so, dass nicht wenige von Ihnen zuweilen solche nur auf den ersten Blick trockenen Themen wie die wirtschaftliche Bedeutung Chinas und der sich herausbildenden Abhängigkeiten der deutschen Volkswirtschaft diesem Land besser nachvollziehen können, wenn das über die Augen und Ohren läuft und nicht (nur) über lange Texte.

Deshalb hier für alle, die sich dafür interessieren, der Hinweis auf eine neue Fernseh-Doku, die vor kurzem ausgestrahlt wurde – hier der Link zum Video:

➔ NDR: Made in China – gefährliche Abhängigkeit? (27.03.2023)
Lange wollte es kaum jemand wahrhaben: Deutschland hat sich in extreme Abhängigkeit von Pekings Gnaden manövriert und wird nun zunehmend erpressbar. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nimmt auch die Bundesregierung das volle Risiko wahr. Denn zwischen China und Taiwan schwelt ein weiterer Konflikt mit geopolitischer Sprengkraft. „Wenn der von heute auf morgen eskaliert, wäre das für uns der GAU,“ sagt Peter Bachmann, verantwortlich für den Bereich Customer Solutions und Business Development einer Photovoltaik-Firma. Bei der Suche nach einer neuen China-Strategie geht es um ganze Lieferketten, um Tausende Produkte. Manche Artikel aus China sind einfach nur preiswerter, andere unverzichtbar, einige sogar überlebenswichtig. Im Hamburger Hafen landet der „Container-Tsunami“ aus China schon am frühen Morgen an und wird dann über ganz Deutschland verteilt.

Und aktuell ist die Frage, wie sich Deutschland und die gesamte Europäische Union gegenüber China positionieren soll angesichts der zunehmenden Risiken, ein Thema auf höchster Ebene, denn die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat sich kurz vor einer Reise nach China ungewöhnlich deutlich zu Wort gemeldet:

»Kurz vor ihrer Peking-Reise hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine deutlich härtere Haltung der EU gegenüber China angekündigt«, so diese Meldung: Klarere Kante gegenüber China: »Die EU soll nach dem Willen der Kommission in Brüssel ihr Verhältnis zu China neu ausrichten. Nach Ansicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse Europa auf die immer aggressivere Wirtschaftspolitik der Volksrepublik reagieren. Das sagte von der Leyen bei einer Grundsatzrede in Brüssel, kurz bevor sie … mit Emanuel Macron nach Peking reisen wird.«

»“Unsere Beziehungen sind unausgewogen und werden zunehmend von Verzerrungen beeinflusst, die durch Chinas staatskapitalistisches System verursacht werden“, sagte von der Leyen. Und: „Es könnte passieren, dass wir aufgrund des Politikwandels in China neue Abwehrinstrumente für einige kritische Sektoren entwickeln müssen“, fügte sie hinzu. Die EU müsse unabhängiger werden und vor allem wirtschaftliche Risiken im Verhältnis zu dem bevölkerungsreichsten Land der Erde minimieren.«

»Allerdings machte von der Leyen auch klar: „Ich glaube, es ist weder umsetzbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln.“ Stattdessen warb sie für einen offenen Austausch, Risikominderung statt Entkopplung. Entscheidend sei, diplomatische Stabilität und offene Kommunikationsverbindungen sicherzustellen. Immerhin gehen neun Prozent der EU-Exporte nach China, mehr als 20 Prozent der Importe kämen aus dem asiatischen Land.«

»Sie warnte, dass Handel und Investitionen in „Zusammenhang mit Chinas deutlicher Verschmelzung seines militärischen mit seinem kommerziellen Sektor“ Risiken für Europas Wirtschaft oder Sicherheit bergen könnten.«

Die durchaus deutlichen Worte der Kommissionspräsidentin haben für einiges Aufsehen gesorgt. Wer ihre Rede im Original nachlesen möchte (also ganz korrekt in deutscher Übersetzung, denn sie hat die Rede in englischer Sprache gehalten), der kann sich die hier herunterladen:

➔ Ursula von der Leyen (2023): Rede von Präsidentin von der Leyen zu den Beziehungen zwischen der EU und China vor dem Mercator Institute for China Studies und dem European Policy Centre, Brussels, 30. März 2023

Und wer sich die vielleicht sogar im Original anschauen möchte, der oder die wird hier fündig:

Ergänzend sei hier auf ein kurzes Interview verwiesen, das mit dem ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission, dem Luxemburger Jean-Claude Juncker, geführt wurde und das Sie hier als Audio-Datei abrufen können:

➔ DLF: Nicht Abkopplung, sondern Risikominderung gegenüber China (04.04.2023): Vor der gemeinsamen China-Reise von Frankreichs Präsident Macron mit EU-Kommissionschefin von der Leyen wirbt ihr Vorgänger, Jean-Claude Juncker, für die Wahrung europäischer Sicherheitsinteressen, ohne deshalb den Handel mit China zu beenden.

Das Thema China werden wir noch intensiver und datengestützt behandeln, wenn wir zum Themenfeld Außenhandel und Globalisierung vorstoßen. Und es wird Sie sowieso verfolgen, wenn Sie regelmäßig die Nachrichten verfolgen und die Wirtschaftspresse lesen.