Ich hatte Ihnen in der Vorlesung erläutert, dass der Arbeitsmarkt im Vergleich zu vielen anderen Märkten etwas ganz besonderes ist – nicht nur hinsichtlich der Tatsache, dass hier die Angebotsseite mal nicht die Unternehmen sind, die etwas anbieten, sondern die (tatsächlichen oder potenziellen) Arbeitskräfte bieten ihre Arbeitskraft (nicht) an und die Unternehmen sind die Arbeitsnachfrager. Hinzu kommt, dass das normale Modell der Angebots-Nachfrage-Kurven auf dem Arbeitsmarkt mindestens für das Arbeitsangebot nicht gilt bzw. gelten kann, wie wir besprochen haben.
Im Materialordner auf der Olat-Seite finden Sie einen kurzen Aufsatz, den Sie bitte herunterladen und lesen:
➔ Mario Mechtel (2022): Mikroökonomische Grundlagen der Arbeitsmärkte, in: Deutschland & Europa, Heft 83, 2022:
»Auf Märkten kommen die Anbieter und Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen zusammen; manchmal physisch wie auf einem Wochenmarkt oder in einem Ladengeschäft, manchmal auch virtuell wie in einer Online-Jobbörse. Die- ser Artikel beschäftigt sich mit einem ganz speziellen Markt: dem Arbeitsmarkt. Natürlich gibt es nicht „den einen“ Arbeitsmarkt, sondern viele verschiedene Arbeitsmärkte, die sich zum Beispiel regional (Frankfurt, Hamburg, Stuttgart) oder nach Tätigkeitsprofilen (Handwerkerin, Lehrerin, Unternehmensberaterin) unterscheiden lassen. Ohne derlei Unterscheidungen vorzunehmen, widmen wir uns an dieser Stelle einigen grundlegenden Aspekten des Arbeitsmarkts.«
An diesem Beitrag können Sie ein typisch ökonomische Argumentationsmuster lernen – man abstrahiert von den Besonderheiten und versucht, generalisierende Aussagen zu machen: „Ohne derlei Unterscheidungen vorzunehmen, widmen wir uns an dieser Stelle einigen grundlegenden Aspekten des Arbeitsmarkts“.
➔ Bitte lesen Sie den Beitrag von Mechtel (2022) vor allem vor dem Hintergrund seiner Ausführungen zum Arbeitsangebot und versuchen Sie, einige kritische Anmerkungen zu seiner Darstellung des Arbeitsangebots und des Verlaufs der Arbeitsangebotsskurve zu machen.
Sie haben bereits gelernt (siehe die Ihnen bereits vorliegenden Folien), dass man begrofflich die Volkswirtschaftslehre unterteilt in Mikroökonomie und Makroökonomie, wobei letztere Themen behandelt, die viele Menschen mit VWL verbinden, also Wirtschaftswachstum, Konjunktur, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, Finanz- und Kapitalmärkte, Steuern und Ausgaben des Staates, um nur einige Felder zu benennen.
Bechtel (2022) hat seinen Beitrag ausdrücklich überschrieben mit „Mikroökonomische Grundlagen der Arbeitsmärkte“. Wir aber sieht das aus einer von unterschiedlichen makroökonomischen Perspektiven aus, wenn man auf „den“ Arbeitsmarkt schaut?
Dazu finden Sie im Materialordner auf der Olat-Seite ebenfalls einen Beitrag, den Sie bitte nach dem Bechtel-Aufsatz lesen:
➔ Friederike Spieker (2022): Gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeit, Beschäftigung und Lohnniveau – Welche Ökonomik ist relevant?, in: Deutschland & Europa, Heft 83/2022
Auf der erfolglosen Suche nach einem vollkommenen Markt: Die Börse
Ich habe Ihnen die Anforderungen skizziert, die erfüllt sein müssen, damit man von einem „vollkommenen Markt“ sprechen kann und darf. Es ist mehr als offensichtlich geworden, dass die nun wirklich nicht erfüllbar sind und selbst eine Annäherung an diese Voraussetzungen findet man in der Realität wenn, dann in einer molekularen Größenordnung. Es wurde darauf hingewiesen, dass – wenn überhaupt – die Börse eine gewisse Annäherung an die Anforderungen liefern kann. Das Argument taucht auch an anderen Orten immer wieder als Beispiel für das Ideal eines vollkommenen Marktes auf, beispielsweise in so einer Form: »Als Beispiel für einen annähernd vollkommener Markt kann die Wertpapierbörse angeführt werden. Der einzelne Händler hat keinen Einfluss auf die Börsenkurse. Er kann nur entscheiden, ob er bei einem bestimmten Kurs Wertpapiere kaufen oder verkaufen will. Er ist ein Mengenanpasser. Es ist ihm auch egal, von wem er kauft, bzw. an wen er verkauft. Er hat keine ausserökonomischen Präferenzen. Wertpapiere werden nur der Gattung nach bestimmt. Es ist dem Händler egal, welche Stücke er hergeben muss, bzw. welche Stücke er bekommt. Alle Wertschriften einer bestimmten Gattung sind homogen. Es gibt für den Händler keine Exemplare, die besser oder schlechter wären.«
Also, endlich haben wir einen vollkommenen Markt. Der bzw. dessen Voraussetzungen aber sogleich wieder zerstört werden, wenn wir genauer hinschauen.
Dazu schauen Sie sich bitte dieses Erklärvideo zum Thema Hochfrequenzhandel an vor dem Hintergrund der Fragestellung, welche der Voraussetzungen für einen vollkommenen Markt werden durch was zerstört an der Börse: