Über die große weite Welt der Preisbildung. Da gibt es dann Auktionen und sogar einen Schweinezyklus. Und einen „schweinischen“ Markt

Bei der Behandlung der Preisbildung (im polypolistischen Markt) haben Sie zwei wichtige und immer wieder auftauchende Begriffe kennengelernt: Den „Schweinezyklus“ und das Auktionatormodell.

Der Begriff Schweinezyklus mit Blick auf die Preisbildung wird den einen oder anderen überrascht haben. Aber das hat seine empirische Grundlage und es beschreibt die tatsächlichen Preisbildungsprozesse – die letztendlich dazu führen, dass man immer um den Gleichgewichtspreis herum kreist – eher als das Auktionator-Modell. Man muss darauf hinweisen, dass der Begriff aus einer empirischen Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Preisbildungsprozessen und Preisbewegungen am Beispiel des Schweinepreises entstanden ist, die in den 1920er Jahren als Doktorarbeit veröffentlicht worden ist.

Der Begriff Schweinezyklus beschreibt eine periodische Schwankung auf der Angebotsseite, wie sie ursprünglich auf dem Markt für Schweinefleisch von Arthur Hanau in seiner Dissertation über Schweinepreise im Jahr 1927 dargestellt wurde. Mit Blick auf die Schweinepreise ist die Sache einfach: Bei hohen Marktpreisen kommt es zu verstärkten Investitionen, die sich aber erst mit einem time lag auf das Angebot auswirken, dann aber zu einem Überangebot und Preisverfall führen, weil sich viele so verhalten haben. Das wiederum löst eine Verringerung der Produktion aus, die sich ebenfalls erst zeitverzögert auswirkt – mit der Folge einer Angebotslücke, die dann wiederum steigende Preise induziert. Und die ganze Schleife fängt von vorne an.

Es ist interessant, darauf hinzuweisen, dass der Begriff beispielsweise im Bereich der Arbeitsmarktanalyse bis in die heutige Zeit auftaucht. Immer wieder wird der Terminus verwendet, wenn es um die Lehrer geht, aber auch bei Ingenieuren und anderen Berufen kann man das Muster erkennen. Vgl. hierzu beispielsweise meinen Beitrag Akademiker sind keine Schweine. Aber sind sie gefangen im Schweinezyklus? Und dann noch Ingenieure und Naturwissenschaftler, die Aushängeschilder eines (angeblichen) Fachkräftemangels? aus dem Jahr 2015.

Grundsätzlich ist der „Schweinezyklus“ also ein Merkmal von Märkten, auf denen zwischen der Entscheidung für eine Angebotsänderung und dem Wirksamwerden dieser Angebotsänderung eine gewisse Zeit vergeht und die Marktteilnehmer künftige Situationen nur schwer vorhersehen können, weshalb sie zu Fehleinschätzungen verleitet werden.

Und dann die Auktionen – von denen muss man tatsächlich im Plural sprechen

Ich hatte darauf hingewiesen, dass das Auktionatormodell, das in seiner einfachsten Form von Preisfindungen auf dem Kunstmarkt über Auktionen bekannt ist, auch die Grundlage für die Preisbildung an der Börse darstellt. Auf dem Kunstmarkt haben wir es mit einseitigen Auktionen zu tun, also Gebote werden nur von einer Seite abgegeben, an der Börse treffen wir auf zweiseitige Auktionen, dort bieten sowohl Käufer als auch Verkäufer und passende Gebote werden zusammengeführt. Die folgende Abbildung zeigt und beschreibt Ihnen die Grundformen der Auktionen:

Wie kann das praktisch in der Wirtschaftswelt aussehen? Man trifft dort weitaus häufiger auf Auktionsformen als man vielleicht im ersten Moment denkt. Nehmen wir als ein Beispiel den Auktionsmechanismus auf der Plattform eBay. Diese Plattform ist bekannt geworden mit einer Kombination aus englischer und Zweitpreisauktion. Vgl. zu dieser interessanten Variante auch den Beitrag von Benedikt Fehr, der bereits 2007 veröffentlicht wurde: Von Goethe erdacht, von Ebay genutzt. Und der Anfang dieses Artikels weckt nun wirklich die Neugier des Ökonomen: »Das Online-Auktionshaus Ebay nutzt Zweitpreis- Auktionen. Das Verfahren geht auf den Nobelpreisträger William Vickrey zurück. Der erhielt dafür 1996 den Nobelpreis. Freilich hatte jemand schon 200 Jahre früher eine ähnliche Idee, zur Versteigerung eines Manuskripts: Johann Wolfgang von Goethe.«

Was passiert bei eBay? »Zwar gewinnt derjenige die Auktion, der den höchsten Preis geboten hat. Insofern besteht kein Unterschied zu der bekannten „englischen“ Auktion, wie sie zum Beispiel im Kunsthandel üblich ist. Doch muss der Gewinner bei Ebay nicht den Preis zahlen, den er selbst geboten hat, sondern nur den zweithöchsten gebotenen Preis, vermehrt um den „Steigerungsbetrag“, also den Betrag, um den bei dieser Auktion jedes Gebot mindestens erhöht werden musste.« Dieses Versteigerungsprinzip wurde bereits im September 1995 von Pierre Omidyar, dem Gründer und Entwickler von eBay, eingeführt. „Ihm erschien dies als der fairste Weg der Preisfindung sowohl für die Käufer als auch die Verkäufer.“ Aber wieso fair? Die „Zweitpreis-Auktion“ scheint den Verkäufer zu benachteiligen: Schließlich wäre der Gewinner der Auktion ja bereit gewesen, mehr zu bezahlen, vielleicht sogar deutlich mehr.

Diesem Einwand kann man so begegnen: »Die entscheidende Frage ist allerdings, ob der Käufer bereit gewesen wäre, diese erhöhte Zahlungsbereitschaft bei einem anderen Auktionsverfahren auch offenzulegen. Eine genauere Analyse zeigt, dass er dies bei einer englischen Auktion in aller Regel nicht hätte tun müssen: Wäre dort sein einzig verbliebener Mitbieter zum Beispiel bei einem Preis von 100 ausgestiegen, hätte – bei einem Steigerungsbetrag von 5 – ein Gebot von 105 ausgereicht, um den Zuschlag zu erhalten. Möglicherweise wäre der Gewinner aber bereit gewesen, bis zu 120 zu bieten. Der Verkäufer wird es nie erfahren, denn das Auktionsverfahren setzte dem Gewinner keinen Anreiz, seine „wahre“ Zahlungsbereitschaft offenzulegen.«

Dem verlinkten Artikel können Sie übrigens auch entnehmen, warum und wie bereits im Jahr 1797 Johann Wolfgang von Goethe ein Verfahren angewendet hat, das durchaus der Zweitpreisauktion entspricht. Also natürlich nur, wenn sie den Artikel lesen. Und Sie wissen ja: Lesen bildet ungemein. Vor allem, wenn Sie die langen Blog-Beiträge Ihres VWL- Dozenten lesen und auch verdauen.

Apropos Schweinezyklus – einen schweinischen Markt gibt es tatsächlich

Sie haben in der bisherigen Vorlesung bereits zahlreiche volkswirtschaftliche Grundbegriffe kennen gelernt. Und die tauchen an anderer Stelle immer wieder auf. Ich hatte Ihnen das am Beispiel von zwei Begriffen an einem aktuellen Beispiel deutlich gemacht: Dem „Schweinezyklus“ aus dem Themenfeld Preisbildung und dem Terminus „Verkäufermarkt“ aus dem Themenfeld Angebot und Nachfrage und den Ungleichgewichtslagen.

Einem Bericht über die Entwicklung der Schweinepreise aus dem März 2022 können Sie entnehmen: »Ein regelrechter Umschwung zu einem Verkäufermarkt hat eingesetzt, sagt die Vereingung der Erzeugergemeinschaften. Das Resultat: Wer Schweine oder Fleisch beziehen möchte, muss entsprechend mehr bezahlen. Darauf haben Schweinehalter lange gewartet.«

Und Sie erinnern sich (hoffentlich): Der Begriff „Schweinezyklus“ für das ständige Auf und Ab und das damit verbundene permanente Verfehlen der berühmten Gleichgewichtslage ist ja vor vielen Jahrzehnten tatsächlich empirisch am Beispiel der Schweinepreise beschrieben worden.

Und in diesen Tagen zeigt sich das folgende Bild:

Dem Beitrag aus der Fachpresse kann man entnehmen: »Beobachter beschreiben die Marktlage als explosiv. Die Schweinepreise steigen weiter steil an. Auch für Ferkel gibt es deutlich mehr Geld. Die Schweinepreise steigen weiter steil an. Der Markt nimmt „eine Entwicklung, die in dieser Form und in diesem Tempo für alle Marktteilnehmer absolutes Neuland ist“, kommentieren die Marktbeobachter der Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN) die aktuelle Entwicklung. Und das ist nicht nur in Deutschland so. Die Notierungen bewegen sich in allen EU-Mitgliedsländern steil nach oben.
Der Kriegsausbruch in der Ukraine und die damit verbundenen Kostensteigerungen an den Energie- und Rohstoffmärkten sorgen für einen zusätzlichen Preisschub – aber auch für zahlreiche Probleme, auch bei den Schlachtern, wie die jüngsten Forderungen von Tönnies an den Lebensmittelhandel verdeutlichen.
Hinzu kommt, dass in vielen Ländern eine schrumpfende Produktion mit kräftigen Nachfrageimpulsen durch die Lockerung der Corona-Maßnahmen und ersten Grillwetterimpulsen zusammentreffen. In Deutschland ist der Wettbewerb um schlachtreife Schweine auf einem leergefegten Spotmarkt besonders groß, sagt die ISN.«

➔ Was ist ein Spotmarkt? Ein Spotmarkt ist der Markt der internationalen Warenbörsen, an dem Geschäfte gegen sofortige Bezahlung und alsbaldige Lieferung, die sogenannten Effektivgeschäfte, getätigt werden. Als ökonomischer Ort, an dem das Angebot und die Nachfrage von Spot- oder Kassageschäften aufeinandertreffen, bildet er das Gegenstück zum Terminmarkt. Handelsobjekte an Spotmärkten sind insbesondere Devisen, Wertpapiere oder Commodities, die nach standardisierten Verträgen gehandelt werden. Hierbei ist eine gegenseitige Erfüllungsfrist von maximal zwei Börsentagen üblich. Geschäfte, die darüber hinausgehen, werden dem Terminmarkt zugerechnet. Spotmärkte gibt es aber auch im Transport- und Logistikbereich. An diesem Spotmarkt werden tagesaktuell Frachten und freigewordene Lkw angeboten. Der Handel „on the spot“, also die kurzfristige Vergabe von Aufträgen, findet zum jeweils gültigen Tagespreis statt.

»Am Fleischmarkt sind explosive Preissprünge zu beobachten, wie sie in der Vergangenheit kaum möglich waren, sagt die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften … Rückläufige Schlachtungen sorgen zudem für ein kleines Fleischaufkommen, das für die Nachfrage des LEH’s nicht ausreichend ist.« (LEH = Lebensmitteleinzelhandel).

»Ein regelrechter Umschwung zu einem Verkäufermarkt hat eingesetzt, und wer Ware beziehen möchte, muss entsprechend bezahlen, heißt es weiter. Die Verkäufer in den Schlachtunternehmen stehen damit nicht mehr unter Preisdruck.«

Wenn Sie eine Vorstellung bekommen wollen, wie viele glückliche oder wahrscheinlich eher unglückliche Schweine in einer Woche an den Schlachter gebracht wurden, dann lesen Sie weiter: »Die Menge der zur Vermarktung angemeldeten Schweine war mit 224.600 Tieren nochmals deutlich um 2 Prozent kleiner als in der Woche zuvor, für die 229.000 Schweine abgerechnet wurden.«

Die steigende Nachfrage und die steigenden Preise aufgrund des zu geringen Angebots haben auch Auswirkungen auf diejenigen in der Kette, die den Nachschub produzieren: 

»Am deutschen Ferkelmarkt wird das verfügbare Angebot fortgesetzt rege nachgefragt.« Also gehen auch die Ferkelpreise nach oben. 

Übrigens: Wo Berge sind, da gibt es auch Täler. Und das Auf und Ab bei den Schweinepreisen ist wirklich beeindruckend auf der Zeitschiene. Noch im Januar 2022 wurde von dem gleichen Marktbeobachter ein Beitrag veröffentlicht, dessen Überschrift in eine ganz andere Richtung gezeigt hat: Schweinepreise: Aussichten verdüstern sich – Markt erneut unter Druck. So schnell können sich die Zeiten ändern.