Von „natürlichen“ Monopolen und immer wieder Deregulierung und Regulierung als Schlüsselbegriffe der Wirtschaftspolitik

Bei der Besprechung der Marktform des Monopols sind wir auf den Begriff der „natürlichen Monopole“ gestoßen. Eine der typischen Ökonomen-Definitionen für das, was man sich unter diesen „natürlichen Monopolen“ vorstellen muss, geht so: Als natürliches Monopol wird in der Mikroökonomie eine Situation bezeichnet, in der sich aufgrund hoher Fixkosten und niedriger Grenzkosten besonders ausgeprägte steigende Skalenerträge ergeben. 

Alles klar? Nochmal genau lesen – wo haben wir hohe Fixkosten und relativ niedrige Grenzkosten? Hier die Beispiele, die ich Ihnen in der Vorlesung genannt und die wir dann auch teilweise vertiefend diskutiert haben: Eisenbahnen, Telefon-, Post-, Energie- und Wasserversorgungsnetze. Leitungsgebundene Infrastruktur also. Es macht nun wahrlich kein Sinn, nur für die Herstellung von Wettbewerb und damit von Wahlmöglichkeiten mehrere Wasser- oder Stromleitungen nebeneinander in die Häuser zu legen, von denen dann aber nur ein Netz genutzt wird.

Aber: Im Falle der Bereitstellung von Elektrizität, Gas, Telefondienstleistungen oder der Bahn ist lediglich die Bereitstellung des Netzes als natürliches Monopol aufzufassen (man spricht von einem „monopolistischen Flaschenhals“, weil hier viele Energieproduzenten oder Bahnbetreiber auf einen einzigen Netzbetreiber stoßen und es daher „eng“ wird). Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Wettbewerb geben kann beim Betrieb oder Vertrieb. Wir haben das u.a. am Beispiel der Bahn diskutiert.

Allerdings hat die Trennung zwischen der leitungsgebundenen Infrastruktur und der Verwertung über verschiedenen, miteinander konkurrierende Unternehmen wichtige Konsequenzen, die mit dem mehrfach bereits aufgetauchten Begriff der Regulierung beschrieben werden können.

Für die leitungsgebundene Infrastruktur braucht man eine Regulierungsinstanz, vor allem, wenn wie bei der Bahn der Besitzer der Infrastruktur, also der Schienen und der Bahnhöfe, selbst als Anbieter und damit Konkurrent gegenüber anderen Bahnunternehmen fungiert. Dafür gibt es die Bundesnetzagentur. Hier finden Sie eine Beschreibung der Aufgaben und der Struktur der Bundesnetzagentur.

Den Regulierungsbedarf kann man auch am Beispiel der Nutzungsentgelte im Bereich der Telekommunikation erkennen, konkret anhand der unterschiedlichen Anbieter von Internetzugängen, die aber – wie 1&1 – nicht über eigene Telefonkabel verfügen, denn die sind weiterhin im Besitz der Telekom als Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost. Wenn man diesem nunmehr ehemaligen Monopolisten die Festlegung der Netzentgelte, die andere Anbieter an die Telekom zahlen müssen, allein überlassen würde, dann wäre betriebswirtschaftlich rational eine Prohibitivpreisstrategie der Telekom, die ja mit den neuen Anbietern konkurriert, zu erwarten. Zumindest würden die Netzentgelte so hoch angesetzt, dass neue (potenzielle) Wettbewerber mit einer erheblichen Marktzutrittsschranke konfrontiert wären. 

➔ An dieser Stelle kommt dann die Bundesnetzagentur ins Spiel, denn die muss die Preise der Telekom genehmigen oder kann deren Forderungen auch zurückweisen. Die Agentur hat zum einen gegenüber den Wettbewerbern eine Schutzfunktion, um diese vor Überforderung und Ausbreitung durch den ehemaligen (und von den Marktanteilen faktisch immer noch) Monopolisten zu schützen. Auf der anderen Seite muss sie aber auch darauf achten, dass die Netzentgelte nicht zu niedrig angesetzt werden, da ansonsten der Netzinhaber, also die Telekom, nur geringe oder gar keine Anreize mehr hat, in die Infrastruktur zu investieren, da diese von den Konkurrenten dann ja „zu billig“ genutzt werden könnte.

Übrigens – wenn es Regulierung als wichtigen Begriff gibt, dann auch der vom anderen Ende der Skala: Deregulierung. Bei vielen Ökonomen löst allein das Wort schon viele Gefühle aus, verspricht es doch den Abbau von zumeist wettbewerbsverzerrenden oder gar -abtötetenden Regelungen oder Einschränkungen. 

Dazu kann als ein Beispiel rückblickend auf die Deutsche Bundespost als Fallbeispiel verwiesen werden – dieser ehemalige Staatsmonopolist wurde seit Ende der 1980er Jahre mit mehreren sogenannten „Postreformen“ zerschlagen und in die drei Post- Nachfolgeunternehmen Deutsche Post, Telekom und Postbank zerlegt. Ein Lehrbuchbeispiel für das, was man in der Wirtschaftspolitik als Deregulierung bezeichnet. Dieser Prozess hat sich über viele Jahre hingezogen, angefangen mit der Postreform I (1989), II (1995) und III (1998). Hier eine kurze Beschreibung der Postreformen I – III:

➔ 1989 wurde durch die erste Postreform (Postreform I) die einheitliche Deutsche Bundespost in die Deutsche Bundespost Postdienst, die Deutsche Bundespost Postbank sowie die Deutsche Bundespost Telekom aufgespalten.

➔ 1994: Mit der Postreform II wurden die drei Geschäftsbereiche privatisiert. Es entstanden die Deutsche Post AG (gelbe Post), die Deutsche Postbank AG (blaue Post) und die Deutsche Telekom AG (graue Post).

➔ 1998: Mit der Postreform III wurde das Bundespostministerium aufgelöst. Als Ersatz für das Bundesministerium wurde die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) gegründet, welche für die Regulierung der technischen Seite des Telekommunikationsmarktes zuständig war. 2005 wurde die RegTP in die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen umbenannt. Die Bundesnetzagentur also, bei der die Post nur noch ein Bereich unter mehreren ist.

➔ Und hier der Hinweis auf einen kurzen, 10 Minuten langen Beitrag zum Thema Deutsche Post – ein ganz wichtiger Player auf dem Gebiet der Logistik – aus der heutigen Zeit. Auch da stoßen Sie wieder auf Begriffe, die Sie in meiner Vorlesung kennen gelernt haben:
ZDF: Verspätet und verschollen: Versinkt die Deutsche Post im Chaos? (20.12.2022)
»Noch nie gab es so viele Beschwerden über die Deutsche Post – und das, obwohl sie immer weniger Briefe befördern muss. Post-Kundinnen und Kunden beklagen sich über Briefe, die spät oder gar nicht ankommen, über steigende Preise und einen schlechten Service. Doch woran liegt das? In dieser Folge Kontext gehen wir drei zentralen Gründen für die Probleme bei der Post auf den Grund: Der Personalmangel bei der Post, ihre Quasi-Monopolstellung in Deutschland und ihre Rolle als Global Player.«

Deregulierung und zugleich wieder Regulierung: Das Beispiel Deutsche Bahn

Und auch die Bahn hat eine Reform hinter sich, deren Ziel eine Deregulierung des staatsmonopolistischen Unternehmens war. Als Bahnreform bezeichnet man die gesetzliche und organisatorische Neuordnung der bundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland, die durch das 1994 in Kraft getretene Eisenbahnneuordnungsgesetz eingeleitet wurde. Bestandteile der Bahnreform waren
➞ die Gründung der Deutschen Bahn AG als privatrechtlich organisierte Eisenbahngesellschaft des Bundes,
➞ die Öffnung der Schienenwege für private Eisenbahnunternehmen
➞ sowie die Übertragung der Zuständigkeit für den Schienenpersonennahverkehr vom Bund auf die Länder.

Mittlerweile steht die Deutsche Bahn AG durchaus im Wettbewerb mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Ich hatte in der Vorlesung darauf hingewiesen, dass beispielsweise die MRB (MittelrheinBahn) zwischen Köln und Koblenz unterwegs ist. Betreiber der MittelrheinBahn ist die Trans Regio Deutsche Regionalbahn GmbH. Der Firmensitz und das Betriebswerk von trans regio befinden sich in Koblenz. Seit Anfang 2014 ist trans regio Teil der Transdev-Unternehmensgruppe. Die haben 7.500 Mitarbeiter in 57 aktive Tochterunternehmen und erwirtschaften rund 1,2 Mrd. Euro Umsatz (Stand: 31.12.2021). 

Betrachten wir die Wettbewerbssituation für die Bahn – die man unterteilt in den Güterverkehr und in den Schienenpersonenverkehr -, dann stellt sich die Situation für Deutschland so dar:

Und zur Abrundung ein aktuelles (zugleich seit Jahren diskutiertes) Beispiel: Die Forderung nach einer Trennung von Schiene und Betrieb

In diesen Tagen ist die Grundproblematik der natürlichen Monopolsituation, in der sich auch die Schieneninfrastruktur befindet, Thema eines (scheinbar) aktuellen Vorschlags:

»CDU und CSU wollen das Schienennetz, die Bahnhöfe und die Energiesparte aus dem Bahn-Konzern herauslösen. Ziel ist eine Bündelung in einer Infrastruktur GmbH des Bundes«, kann man dieser Meldung entnehmen: Union will Deutsche Bahn zerschlagen. Nach einem Reformpapier der Unionsfraktion »sollen die Bereiche Netz, Bahnhöfe sowie die Energiesparte aus dem Konzern herausgelöst und in einer Infrastruktur GmbH des Bundes gebündelt werden. „Infrastruktur- und der Transportbereich werden voneinander getrennt“, heißt es in dem Konzept. Der CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange hat das Konzept maßgeblich mit ausgearbeitet. „Das Schienennetz und alles, was dazugehört, soll künftig in Staatshand liegen, und zwar in Form einer GmbH“, sagte er der Zeitung. Als Vorbild für die Infrastruktur GmbH dient der Union die Autobahngesellschaft des Bundes. „Die Holding der Deutschen Bahn und ihre unzähligen Beteiligungen und Tochtergesellschaften werden aufgelöst“, so Lange. Dem Reformvorschlag zufolge verblieben bei der Deutschen Bahn dann nur noch die rollenden Abteilungen Nahverkehr, Fernverkehr und Gütertransport, die außerdem verschlankt werden sollen. Die Bundesregierung soll dann unabhängig vom Bahn-Konzern entscheiden können, welche Strecken saniert, ertüchtigt oder neu gebaut werden.«

Was verspricht man sich von so einem Vorgehen? »“Ein großer Vorteil der neuen, schlanken Struktur wird sein, dass der Bund künftig nicht nur vorgeben kann, welche Strecken neu zu bauen oder zu modernisieren sind, sondern seine Vorgaben auch umgesetzt werden müssen“, betonte Lange.« Das ist ein Aspekt. Eine weitere Zielsetzung hatte ich bereits in der Vorlesung angesprochen: »Die Zerschlagung des Bahn-Konzerns werde dazu führen, dass private Konkurrenten bessere Chancen bekämen, dem Marktführer Marktanteile abzujagen. „Die Trennung von Netz und Betrieb wird sich auch positiv auf den Wettbewerb auswirken, da andere Anbieter als die Deutsche Bahn das Schienennetz stärker als bisher nutzen können.“«

Offensichtlich ist das nicht nur eine einzelne Position: »Auch der Bundesrechnungshof hatte in einem Sonderbericht für den Bundestag gefordert, Infrastruktur und Betrieb bei der Deutschen Bahn zu trennen. Der Eigentümer Bund müsse den Konzern „wirksam, umfassend und schnell umstrukturieren“, er brauche die Kontrolle über das Schienennetz.«

Und es gibt weitere Schützenhilfe für den Vorstoß der Unionsfraktion: Auch GDL und Pro Bahn für Zerschlagung: »Angesichts der Dauerkrise bei der Deutschen Bahn will die Union den Konzern aufspalten. Von der Lokführergewerkschaft GDL und dem Fahrgastverband Pro Bahn gibt es für die Forderung Unterstützung.« Allerdings muss man genau lesen: Gewerkschaftschef Claus Weselsky wird mit der Aussage zitiert, das derzeitige System führe zu Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. »Weselsky warnte aber vor übertriebenen Erwartungen an eine solche Umstrukturierung: „Wir dürfen nicht ins Träumen geraten. Eine Verbesserung der Verhältnisse wird erst mit Milliardeninvestitionen aus Steuergeldern spürbar.“ Es müsse mehr Kapazitäten im Netz geben, mehr Weichen und Überholungsstrecken.«

»Der Fahrgastverband Pro Bahn kann den Unionsplänen ebenfalls Positives abgewinnen. Der Bundesvorsitzende Detlef Neuß sagte der „Welt“, der Verband sei seit Jahren für eine Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn. Er betonte zugleich: „Dabei kommt es uns weniger darauf an, den Konzern DB AG zu zerschlagen, sondern darauf, sowohl das Netz als auch Station und Service in eine Gesellschaftsform zu überführen, die nicht gewinn- sondern gemeinwohlorientiert arbeitet.“ Dazu tauge eine Aktiengesellschaft nicht. Denkbar sei eine gemeinnützige GmbH unter dem Dach der Deutschen Bahn.«

Und was plant die derzeit regierende Ampel-Koalition? Man will lediglich die Sparten Netz und Bahnhöfe verschmelzen. Die Deutsche Bahn bliebe nach den Koalitionsplänen der integrierte Konzern, der Netz und Betrieb bestimmt. Die Speditionstochter Schenker soll abgestoßen werden.

➔ Der Bundesrechnungshof kritisierte bereits Anfang 2019, dass der Schienentransport von DB Cargo abnimmt und sich die Deutsche Bahn mit den Gütertransporten von DB Schenker auf der Straße selbst Konkurrenz mache. Die Deutsche Bahn soll sich nach Meinung des Bundesrechnungshofes auf sein Kerngeschäft, den Eisenbahnverkehr in Deutschland konzentrieren und DB Schenker mittelfristig verkaufen.

➔ Apropos Schenker: Wussten Sie, dass die Deutsche Bahn AG, die wir mit Eisenbahn verbinden, einer der ganz großen Player auf dem Markt für LKW- und Luftfracht-Dienstleistungen ist?

Interessant ist übrigens, dass anders als die regierende Ampel-Koalition die Vorschläge der CDU/CSU keinen Verkauf von Schenker beinhaltet, ganz im Gegenteil: »Im Gegensatz zum Regierungsbündnis plädieren CDU und CSU dafür, die Speditionstochter Schenker in jedem Fall bei der Deutschen Bahn zu halten. Schenker ist die Ertragsperle der Bahn und steuerte im vergangenen Jahr den Löwenanteil des operativen Gewinnes bei, während Fern- und Nahverkehr sowie die Gütersparte Verluste machten. „DB Schenker muss als international tätiger Logistikdienstleister in Bundeshand bleiben. Das ist gerade mit Blick auf Mitbewerber wie China von strategischer Bedeutung“, heißt es dazu im Reformpapier.«