Fallbeispiel: Wie der Ölpreis und die Fördermenge (nicht) zusammenhängen

In der vergangenen Übungsveranstaltung hatte ich Ihnen eine Aufgabe gestellt, bei der es um die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Fördervolumen (also dem Angebot) beim Rohöl und der Ölpreisentwicklung ging. Wir haben gesehen, dass es durchaus einen (zeitversetzten) Zusammenhang zwischen den Angebotsveränderungen und denen des Ölpreises gibt. Auf der anderen Seite werden die Ölpreise auch noch von anderen Faktoren beeinflusst.

In diesem Zusammenhang und mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen habe ich Ihnen ein Fallbeispiel präsentiert zu der Frage, wie die Rohölfördermenge und der Ölpreis (nicht) zusammenhängen.

Dabei muss man vorweg schicken, dass die OPEC-Staaten, also die Mitglieder des Kartells der erdölexortierenden Staaten nur noch einen Anteil von etwas mehr als einem Drittel an der weltweiten Erdölförderung haben. Weitere 20 Prozent der weltweiten Ölförderung entfallen auf Staaten, die zwar nicht Mitglied der OPEC sind, die aber die OPEC+ bilden (Russland, Kasachstan, Aserbaidschan, Bahrain, Oman, Brunei, Malaysia, Sudan und Süd-Sudan sowie Mexiko). Die OPEC+-Staaten kommen also auf etwas 55 Prozent der weltweiten Ölförderung. Die Abbildung zeigt Ihnen die bedeutsamsten Ölförderländer:

Das Angebot an Rohöl drosseln …

Am 5. Dezember 2024 konnte man diese Meldung zur Kenntnis nehmen: Was die Drosselung der Ölförderung bedeutet: »Die Staaten der OPEC+ wollen erst einmal weiter freiwillig die Ölförderung drosseln. Damit wollen sie Preissenkungen verhindern. Das hat zuletzt aber nur bedingt funktioniert.« Offensichtlich geht es hier um eine Begrenzung der Angebotsmenge – mit einem bestimmten preispolitischen Ziel, das Ihnen bekannt ist aus dem grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Angebotsverringerung bei gleichbleibender oder nicht so stark rückläufiger Nachfrage.

»Der Ölverbund OPEC+ hat sich auf die Verlängerung einer bereits bestehenden freiwilligen Ölförderkürzung um weitere drei Monate verständigt. Das berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Eigentlich sollte die Drosselung schon ausgelaufen sein, allerdings ist sie schon mehrfach verlängert worden. Bereits seit rund einem Jahr drosseln die Staaten des Verbundes OPEC+ freiwillig die Mengen an Öl, die sie fördern.

Der neue Plan der OPEC+ sieht vor, dass die Produktion ab April kommenden Jahres langsam wieder hochgefahren werden soll, berichtete Bloomberg. Die Agentur berief sich auf einen namentlich nicht genannten Delegierten des Treffens. Dieser Prozess des langsamen Anstiegs der Fördermenge soll bis zum September 2026 andauern.«

»Preisstabilität ist das zentrale Motiv der Förderbeschränkungen der OPEC+. Genau deswegen wurde zuletzt die Fördermenge gedrosselt. Denn: Die Nachfrage nach dem schwarzen Gold hat sich abgeschwächt. Viele Länder setzen auf Dekarbonisierung, die OPEC-Staaten bauen angesichts dessen auch Alternativen auf, um die perspektivisch wegbrechenden Öleinnahmen ausgleichen zu können. Gerade aus China war die Nachfrage zuletzt geringer ausgefallen als erwartet.

Würde mehr Öl gefördert, würde der Preis wohl deutlicher sinken.

Allerdings: Die OPEC hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Macht verloren. Die Staaten hatten die Fördermenge zwar um knapp 5,7 Prozent der weltweiten Ölförderung gedrosselt. Dennoch war der Ölpreis gesunken – um rund 4,8 Prozent. Grund für dieses Paradoxon: Es gibt auch erdölfördernde Staaten außerhalb der OPEC – und die haben ihre Ölproduktion erhöht, wie etwa die USA, Kanada, Brasilien.«

»Innerhalb der Staaten der OPEC+ gab es zuletzt immer wieder Knatsch ➔ So hatten Vertreter der russischen Ölindustrie zuletzt öffentlich Unmut über die Strategie der OPEC+ geäußert. Igor Setschin, der Chef des größten russischen Ölproduzenten Rosneft sagte, dass die Entscheidungen der OPEC+-Gruppe, die Ölproduktion 2016 und 2020 zu reduzieren, der amerikanischen Schieferindustrie geholfen und sie zu einem führenden globalen Energieexporteur gemacht hätten. Tatsächlich haben die USA ihre Marktanteile deutlich ausbauen können.«

Dennoch: Die Entscheidung der OPEC hat deutliche Auswirkungen. Ansonsten wären die Ölpreise noch deutlicher gesunken.

„Damals“, also Anfang Dezember 2024, hatte man den Amtsantritt von Donald Trump im Januar 2025 vor Augen – und den möglichen Auswirkungen: Steigt das Angebot – etwa wegen mehr Öl aus den USA – dürfte der Ölpreis sinken und zwar trotz gedrosselter OPEC+-Fördermenge.

… und jetzt wieder das Angebot an Rohöl erhöhen

Und nun das Update. Am 1. April 2025 wurde dieser Beitrag veröffentlicht: Wie Trump und OPEC+ den Ölpreis bestimmen: »Die OPEC+ dreht von heute an den Ölhahn stärker auf. Sinken nun die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen? Oder macht US-Präsident Trump den Verbrauchern einen Strich durch die Rechnung?«

»Acht Staaten des Ölverbunds OPEC+ werden vom 1. April 2025 an ihre freiwilligen Förderkürzungen schrittweise zurückfahren. Die 2023 beschlossene Kürzung der Tagesproduktion um 2,2 Millionen Barrel soll so rückgängig gemacht werden. Dadurch steigt die tägliche Ölproduktion der OPEC+ ab April jeden Monat um knapp 140.000 Barrel.

Marktbeobachter rechnen mit keiner unmittelbaren Reaktion der Ölpreise, denn die OPEC+ hatte diesen Schritt bereits Ende Februar angekündigt. Heute beginnt nur der Vollzug, das ist also keine Überraschung mehr für die Märkte.

Allerdings spricht die Produktionsausweitung der OPEC+ generell für niedrigere Ölpreise, sollte dadurch doch das Angebot auf dem Ölmarkt steigen.

Die Ölpreise haben sich im ersten Quartal des laufenden Jahres kaum vom Fleck bewegt. Das für Europa wichtige Rohöl der Nordseesorte Brent kostete zuletzt knapp 75 Dollar – rund 15 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Tendenziell sehen Experten den Ölpreis 2025 unter Druck.

➔ Dazu passt die Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA), wonach der Ölmarkt in diesem Jahr mit rund 600.000 Barrel pro Tag überversorgt ist. Sofern die OPEC+ das Ölangebot ab April jeden Monat um knapp 140.000 Barrel pro Tag erhöhen sollte und die Überproduktion in Ländern wie Kasachstan bestehen bleibt, würde das Überangebot laut der IEA um weitere 400.000 Barrel pro Tag steigen.

Und dann kommt der in diesen Zeiten unvermeidliche Hinweis:

Große Risiken gibt es jedoch sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite –
und die hängen allesamt mit der Zoll- und Sanktionspolitik des US-Präsidenten
Donald Trump zusammen.

Argumente für möglicherweise steigende Ölpreise

➔ Seit seiner Rückkehr ins Amt im Januar hat Trump seine Kampagne des „maximalen Drucks“ auf den Iran wieder aufgenommen, um ein neues Atom-Abkommen mit der Islamischen Republik auszuhandeln. Dazu sollen die iranischen Ölexporte „auf null“ gedrückt werden. Erst im März verhängte Trump neue Sanktionen, unter anderem gegen Schiffe der iranischen Schattenflotte, mit deren Hilfe der Iran die bisherigen Sanktionen bislang weitgehend umgehen konnte. Trump erwägt überdies sogenannte sekundäre Zölle, die Länder bestrafen würden, die weiterhin iranisches Öl kaufen. Sollte es den USA gelingen, die iranischen Ölexporte deutlich zu drücken, würde sich der Ölmarkt erheblich anspannen.

➔ Ende März hat Präsident Donald Trump ein Dekret unterzeichnet, wonach ein Land ab dem 2. April mit einem 25-Prozent-Zoll auf all seine Exporte in die USA belegt wird, wenn es Venezuela Öl oder Gas abkauft. Auch diese „Sekundärzölle“ richten sich in erster Linie gegen China, das den Schwarzmarkt für venezolanisches Öl dominiert. Bereits die Ankündigung der neuen Zölle ließ die Ölpreise steigen, dürften diese doch zu einem geringeren weltweiten Ölangebot führen.

Argumente für fallende Ölpreise

Absolut – und auch sie haben in erster Linie mit Trump zu tun. Ökonomen fürchten angesichts der erratischen Zollpolitik des US-Präsidenten eine Konjunkturflaute in den USA (➞ Rezessionsgefahr in den USA)

Experten fürchten zudem, die Trumpsche Zollpolitik könnte nicht nur in den USA, sondern auch in anderen großen Volkswirtschaften ein geringeres Wachstum nach sich ziehen. Das bedeutete jedoch automatisch eine niedrigere Nachfrage nach Öl – und damit niedrigere Preise (➞ Gefahr einer weltweiten Rezession).

Nun haben wir den weltwirtschaftlichen Salat, am 2. April hat der US-Präsident die ganze Welt mit der handelspolitischen Keule getroffen.

Was sehen wir bei der aktuellen Ölpreisentwicklung? Erst einmal geht der Preis runter

»Trumps Handelskrieg verbilligt den wichtigsten Rohstoff massiv. Auch die Notierungen für Kraftstoff werden sinken. Und die US-Ölbranche kommt in die Bredouille: Das Präsidenten-Motto „Drill, Baby, drill“ kann so nicht funktionieren«, kommentiert Frank-Thomas Wenzel in seinem Beitrag Niedriger Ölpreis: Warnsignal für eine Rezession, aber Entlastung für Autofahrer. »Der Preis für Rohöl ist … auf den niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren gefallen. Die für Europa maßgebliche Referenzsorte Brent kostete nur noch rund 63,70 Dollar pro Fass (159 Liter). Zuletzt war der wichtigste Rohstoff für die Weltwirtschaft im Februar 2021 so billig – also mitten in der Covid-Pandemie, als die Mobilität stark eingeschränkt war.«

Was sind die (möglichen) Ursachen für diese Entwicklung?

»Carsten Fritsch, Rohstoffexperte der Commerzbank, nennt die offenkundige Ursache für die Abschläge: „Seit der Verkündung der Zölle durch Trump sind die Ölpreise in der Spitze um mehr als 16 Prozent gefallen.“ Wichtigster Faktor sei dabei die Sorge vor einer durch den Handelskrieg ausgelösten weltweiten Rezession. Denn eine schrumpfende Wirtschaftsleistung war bislang immer mit einer deutlichen Abschwächung der Ölnachfrage verknüpft.«

Und in diesen Zeiten darf neben Trump auch China nicht fehlen (und der Einflussfaktor Nachfrage auf den Ölpreis):

»Analysten wie Fritsch und Rohstoffhändler schauen dabei insbesondere auf China. Die Volksrepublik ist nicht nur die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, sondern auch der größte Ölimporteur. Zuletzt hatte die schwächere Konjunktur in dem Riesenland die Nachfrage nach der flüssigen fossilen Energie bereits gedrückt. Und US-Präsident Donald Trump legt sich gerade ausgerechnet mit China heftig an. Eine gefährliche Spirale mit Zöllen und Gegenzöllen ist in Schwung gekommen. Zunächst kündigte Trump 34 Prozent zusätzlich für Importe aus China an. Das beantwortete Peking mit ebenfalls 34 Prozent mehr für US-Einfuhren ins Reich der Mitte – mit Wirkung vom 10. April an. Zudem soll die Ausfuhr von Seltenen Erden in die USA eingeschränkt werden. Daraufhin drohte Trump mit zusätzlichen 50 Prozent Zoll auf chinesische Produkte … Werden die Zölle tatsächlich umgesetzt, dürften zahlreiche Produkte in beiden Ländern deutlich teurer werden, was den Konsum – ein wichtiger Motor der Konjunktur – massiv bremsen würde.«

➔ Das US-Investmenthaus Goldman Sachs geht laut einer aktuellen Studie nun von einer 45-prozentigen Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den USA aus. Die Großbank JP Morgan taxiert diese Gefahr sogar auf 60 Prozent, und zwar für die USA und weltweit.

»Eng verknüpft ist dies mit steigenden Inflationserwartungen für die Vereinigten Staaten. Dies wiederum könnte die US-Notenbank Fed dazu zwingen, die Zinsen zu erhöhen, was Konsumausgaben dämpfen könnte.«

Und da war doch noch die Ankündigung des OPEC-Kartells, die Angebotsmenge wieder zu erhöhen (und das bei solchen nachfrageseitigen Problemen):

»Doch nicht nur die Konjunktur drückt auf die Ölpreise. So macht Commerzbank-Experte Fritsch darauf aufmerksam, dass das Förderkartell Opec+ an einer Erhöhung der Produktion im Mai festhalten will. Zunächst war nur ein Plus von 135.000 Fass pro Tag geplant. Nun sollen es sogar 411.000 Fass mehr werden. Laut Medienberichten geht es hierbei um eine Vergeltungsaktion gegen Kasachstan. Das zentralasiatische Land hatte zuletzt erheblich mehr gepumpt, als eigentlich verabredet war. Auch das Kartellmitglied Russland billigt offenbar die höheren Quoten – Machthaber Putin braucht Öleinnahmen, um seinen Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Für Fritsch ist jedenfalls klar: Sofern tatsächlich bald mehr gefördert werde, „droht dem Ölmarkt schon kurzfristig ein beträchtliches Überangebot, was für weiteren Druck auf die Ölpreise sorgen würde“.«

➔ Das hat übrigens auch mögliche negative Auswirkungen auf das größte Ölförderland, also den USA, denn sinkende Ölpreise könnten auch die US-Ölbranche in Schwierigkeiten bringen, für die Trump das Motto „Drill, Baby, drill“ ausgegeben hat: »Laut Reuters warnen Führungskräfte, dass bei Strafzöllen auf Stahl und Aluminium die Kosten für Rohre und andere Ausrüstungen um ein Viertel steigen könnten. Die Förderung wäre dann nicht mehr rentabel. Nach einer Erhebung der Fed in Dallas (Texas), die zum US-Notenbanksystem gehört, brauchen große Bohrfirmen auch ohne Zusatzzölle einen Ölpreis von mindestens 61 Dollar, um Geld zu verdienen, bei kleineren sind es sogar 66 Dollar. Am Dienstag lag der Preis für die wichtigste US-Sorte (WTI) knapp über 61 Dollar.«

Was das für die Entwicklung der Rohölpreise in den vor uns liegenden Monaten bedeuten kann?

»Goldman-Analysten gehen inzwischen davon aus, dass die Brentpreise unter „extremen Umständen“ bis Ende 2026 sogar unter die Marke von 40 Dollar pro Fass abrutschen könnten. Bei einer „typischen Rezession“ müsse für Ende 2025 mit 58 Dollar und für Dezember 2026 mit 50 Dollar kalkuliert werden.«