Ich hatte Ihnen ja schon in der Foliensammlung „Konjunktur und Konjunkturindikatoren“ als ein Beispiel die aktuelle Konjunkturprognose des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) präsentiert (vgl. dazu ausführlicher die Prognose im Original: Konjunktur im Desorientierungsstress: IW-Konjunkturprognose Frühjahr 2025). Die greifen ganz tief nach unten: »Die deutsche Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr um 0,2 Prozent, sagt die neue Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) voraus. Weltweite Unsicherheit setzt die Unternehmen unter Druck. Die Arbeitslosenzahlen steigen: Bis zum Sommer dürfte es rund drei Millionen Arbeitslose geben.« Also wieder eine Rezession.
Auf alle Fälle werden wir mindestens eine Stagnation bekommen. Sagen derzeit eigentlich alle neueren Prognosen. Während im Frühjahrsgutachten 2025 der Wirtschaftsforschungsinstitute für das laufende Jahr noch 0,1 Prozent Wachstum – also eigentlich kein Wachstum – vorausgesagt wird, kommen nun weitere Meldungen rein, die auf Null-Wachstum hinweisen.
Die Europäische Union schrumpft ihre Wachstumsprognose für Deutschland
»Nach der neuesten Prognose der EU droht Deutschland in diesem Jahr die Stagnation. Die Kommission hat ihre Wachstumsprognosen deutlich heruntergeschraubt«, kann man beispielsweise dieser Meldung vom 19. Mai 2025 entnehmen: EU-Kommission senkt Wachstumsprognose deutlich. Zuerst einmal schaut die EU natürlich auf alle EU-Staaten und dann auf die Euro-Staaten, denn nicht alle EU-Mitgliedsstaaten haben ja auch die Gemeinschaftswährung Euro:
»In ihrer Frühjahrsprognose erwartet die EU-Behörde nun ein Wachstum der gesamten EU von 1,1 Prozent. Für die Eurozone erwartet die Kommission nun ein Plus von 0,9 Prozent. Beide Prognosen senkte die Kommission damit im Vergleich zu ihrer November-Prognose um 0,4 Prozentpunkte.«
Da wird also schon mal ordentlich reduziert.
Und Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft? Wie sehen die das bei uns?
»Deutschland wird voraussichtlich nach zwei Rezessionsjahren auch 2025 nicht aus dem Konjunkturtal herauskommen: Die Kommission sagt für das laufende Jahr eine Stagnation voraus, nachdem sie im Herbst noch ein Plus von 0,7 Prozent prognostiziert hatte.«
Da haben wir sie wieder, die Stagnation. Noch im Herbst 2024 waren es 0,7 Prozent, jetzt runter auf Null- Überlegen Sie mal, was das für eine Korrektur ist. Hat die EU-Kommission auch Argumente für ihr Downgrading des deutschen Wachstums?
»Ihre Einschätzung begründete die EU-Kommission mit der Belastung durch höhere Zölle sowie einer zunehmenden globalen Unsicherheit, die Konsum, Investitionen und Exporte nach unten ziehen werde.«
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) traut Deutschland im laufenden Jahr kein Wachstum zu. Erst 2026 werde die größte Volkswirtschaft Europas in die Wachstumszone zurückkehren. 1,1 Prozent für 2026 haben die jetzt mal reingeschrieben. Vorläufig.
Bevor der eine oder andere jetzt in Depression versinkt – gibt es irgendwelche positiven Nachrichten? Ja, an der Preissteigerungsfront: »Das geringere Wachstum geht mit einer geringeren Inflationserwartung einher. Die Teuerung könnte im Euroraum schneller als bisher prognostiziert sinken und in diesem Jahr auf das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank zusteuern.«
Und jetzt kommen auch die „fünf Wirtschaftsweisen“ um die Ecke und werfen eine Null an die Wand
Heute hat sich nun der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu Wort gemeldet, umgangssprachlich auch als die „fünf Wirtschaftsweisen“ bezeichnet. Sie haben ja schon gelernt, dass die immer im November eines Jahres ihr voluminöses Jahresgutachten vorlegen – und seit kurzem aktualisieren die ihre dort vorgenommene Prognose des BIP-Wachstums immer im Frühjahr des Folgejahres, weil sie gemerkt haben, dass die Realität sich immer öfter nicht an die Prognosen halten will. Und die Aktualisierung der Prognose nutzen die dann, um auch Stellung zu nehmen zu wirtschaftspolitischen Fragen, die jetzt gerade aktuell sind.
Hier erst einmal das Original des Frühjahrsgutachtens, das heute veröffentlicht wurde:
➔ Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2025): Frühjahrsgutachten 2025, Wiesbaden, 21.05.2025 |
Es gibt auch eine Kurzfassung und eine Pressemitteilung für alle, die es lieber dünner hätten. Und natürlich berichtet auch die Wirtschaftspresse über die neuen Zahlen der weisen Ökonomen.
Es darf und muss an dieser Stelle in Erinnerung gerufen werden, was die uns in ihrem Jahresgutachten im November 2024 für das gerade laufende Jahr vorausgesagt haben – das ist ja nun noch nicht wirklich lange her:
Für 2025 hat man Mitte November 2024 ein BIP-Wachstum von schlappen, aber immerhin positiven 0,4 Prozent prognostiziert.
Und nun?
»Die Wirtschaftsweisen haben ihre Prognose für 2025 abgesenkt und gehen jetzt von einem Null-Wachstum aus«, so einer der Artikel über die neuen Zahlen, der unter der Überschrift Wirtschaftsweise gehen von Stagnation aus veröffentlicht wurde. Dort könne wir weiter lesen:
»“Die deutsche Wirtschaft wird in nächster Zeit maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst: der US-amerikanischen Zollpolitik und dem Finanzpaket“, erläutert Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft bei der Vorstellung des aktuellen Frühjahrsgutachtens heute in Berlin. Damit stellt die Wirtschaftsweise das aktuell zentrale Problem der deutschen Wirtschaft einer großen Chance gegenüber.
Wobei in diesem Jahr die Risiken der Zollpolitik überwiegen dürften: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter in einer ausgeprägten Schwächephase und profitierte zuletzt nur wenig vom Wachstum der Weltkonjunktur. Die US-Einfuhrzölle belasten die weltwirtschaftliche Aktivität und den globalen Warenhandel“, heißt es im diesjährigen Frühjahrsgutachten.
Für eine Exportnation wie Deutschland sind das schlechte Nachrichten – besonders angesichts der schon „länger bestehenden Exportschwäche“. Werden nun höhere US-Einfuhrzölle auf deutsche Produkte erhoben, macht es diese unattraktiver – „die deutschen Exporte dürften mit den sprunghaft und unberechenbar steigenden Zöllen noch weiter zurückgehen“, heißt es von den Experten.«
Und sogleich können Sie die Bedeutung des Themas Außenhandel erkennen, das wir im weiteren Gang der VWL-Vorlesung noch vertiefend behandeln müssen:
»Dabei ist der US-Markt für deutsche Exporteure extrem wichtig: Die Ausfuhren in die weltgrößte Volkswirtschaft summierten sich im vergangenen Jahr auf gut 161,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt jüngst mitteilte. Das waren 10,4 Prozent aller deutschen Exporte und damit der höchste Anteil seit 2002. Sollte sich der Handelskonflikt zwischen der EU und den USA weiter zuspitzen, könnte sich diese „handelspolitische Unsicherheit negativ auf die Investitionsentscheidungen von Unternehmen auswirken“, so die Experten.«
Das wird Folgen haben: »In der Konsequenz korrigierten sie denn auch ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr nach unten. Statt eines Mini-Wachstums von 0,4 Prozent – der Prognose für 2025 aus dem Jahresgutachten von 2024 – gehen die Wissenschaftler nun von einem Null-Wachstum aus. Auch die EU-Kommission hatte erst Anfang der Woche ihre Prognose für Deutschland gesenkt, von 0,7 Prozent auf ein Null-Wachstum.«
Deutschlands BIP werde erst im Jahr 2026 wieder um 1,0 Prozent wachsen, sagen die Wirtschaftsweisen, ähnlich wie auch die EU-Kommission, die von 1,1 Prozent ausgeht.
Natürlich steckt da noch viel mehr Stoff drin in dem Frühjahrsgutachten, aber ich will Sie ja nicht überfordern 😉