Was die Klimaökonomik mit negativen externen Effekten und Marktversagen zu tun hat

Als eine mögliche Ursache vom Marktversagen wird auf die negativen externen Effekten hingewiesen. An dieser Stelle ist anzumerken, dass wir mit diesem Konzept in den Kernbereich der Umwelt- und vor allem der Klimaökonomie vorstoßen können. Es geht um die Frage, wie man den unbestreitbar vor unseren Augen ablaufenden Klimawandel wenigstens verlangsamen und damit die teilweise verheerenden weltweiten Folgen begrenzen kann. Und die Perspektive der Klimaökonomik berührt Ansätze und operiert mit Begriffen, die Sie in der VWL-Veranstaltung schon kennengelernt haben. Beispielsweise „negative externe Effekte“ und „Marktversagen“ und auch die Versuche einer Internalisierung externer Effekte in die Preisbildung.

Sie erinnern sich, ich habe das an einem Beispiel zu erläutern versucht, in dem es auch um Umweltaspekte ging (negative externe Effekte durch den Schwerlastverkehr sowie die Lkw-Maut als Versuch einer Teil-Internalisierung der Kosten, die von Dritten getragen werden müssen, weil sie bislang nicht in die Preiskalkulation der Speditionen eingegangen sind, die sich auf die betriebswirtschaftlichen und nicht auf die gesamtwirtschaftlichen bzw. sozialen Kosten bezieht).

Und was hat das jetzt mit dem Klimawandel und der Klimaökonomik zu tun?

Dazu nur einige Hinweise: Es gibt seit vielen Jahrzehnten das Teilgebiet der Umweltökonomik. Ein Standardparadigma dieses Zweigs der Volkswirtschaftslehre geht zurück auf den englischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou (1877-1959): In der Tradition Pigous werden Umweltschäden als negative externe Effekte begriffen, die – wenn man die Dinge einfach laufen lässt und nicht regulatorisch eingreift – Wohlfahrtseinbußen verursachen und zu deren Vermeidung Internalisierungsmaßnahmen erforderlich sind. Schon Pigou selbst hat die Korrektur eines solchen „Marktversagens“ als Aufgabe des Staates angesehen, der die Verursacher der Umweltschädigung durch Sanktionen und monetäre Anreize zu umweltkonformeren Verhalten zu bewegen habe. Dieser Ansatz ist heute in allen umweltökonomischen Lehrbüchern präsent. Die Notwendigkeit einer solchen staatlichen Verhaltenssteuerung ist im Zusammenhang mit dem Klimaproblem sogar in besonderem Maße gegeben. Denn Verhandlungen zwischen Verursachern und Geschädigten scheiden als Internalisierungsstrategie aus, weil man mit den künftigen Generationen als Hauptgruppe der vom Klimawandel Betroffenen nicht sprechen kann. 

Sie haben ja schon bei dem Beispiel mit der Lkw-Maut als Internalisierungsversuch der negativen externen Effekte des Schwerlastverkehrs ein für Ökonomen typischen Ansatz kennengelernt: Man will über Preise steuern. Vereinfacht gesagt: Man internalisiert (einen Teil der) bei Dritten anfallende Kosten in die betriebswirtschaftliche Kostenkalkulation. Durch die vom Staat auferlegte Maut werden die Dienstleistungen der Speditionen teuerer und die werden die zusätzlichen Kosten an deren Auftraggeber weiterreichen. So dass die Inanspruchnahme des Lkw-Verkehrs – einen entsprechend hohen Preis vorausgesetzt – tendenziell zurückgehen müsste.

Vor diesem Hintergrund wird es Sie nicht überraschen, dass viele Klimaökonomen einen zentralen Baustein bei der Reduktion der CO2-Emissionen in einer Bepreisung derjenigen sehen, die diese Emissionen verursachen. Die beiden kontrovers, zuweilen auch ergänzend diskutierten Ansätze, eine solche Bepreisung hinzubekommen, verdeutlich die folgende Abbildung: 

Bei Emissionsabgaben taucht ein Begriff auf, den viele von Ihnen schon mal gehört haben: CO2-Steuer. In der aktuellen politischen Debatte in Deutschland wird am häufigsten die Bepreisungsform der CO2-Steuer genannt. Hierbei bestimmt der Staat für alle Wirtschaftssektoren einheitlich den Preis pro freigesetzte Tonne CO2. Wenn das Einsparen von CO2 billiger ist als das Bezahlen der Steuer, ist die CO2-Steuer wirksam. Dann werden Verursacher aus Kostengründen emissionsärmere Alternativen anstelle von fossilen Energieträgern verwenden, um die Steuer zu umgehen.

Und was hat es mit der Mengensteuerung über Emissionszertifikate auf sich? Anders als bei einer CO2-Steuer gilt in einem Emissionshandelssystem (ETS) für einen bestimmten Geltungsbereich und einen bestimmten Zeitraum eine verbindliche Obergrenze für CO2-Emissionen. ETS-Marktteilnehmer, wie z. B. Industrieanlagen oder Elektrizitätswerke, erhalten Zertifikate und damit das Recht, pro Zertifikat eine Tonne CO2 auszustoßen. Diese werden entweder frei zugeteilt, verkauft oder versteigert. Durch die weltweit stark verbreitete Form der Zertifikatsversteigerung erhält die öffentliche Hand ein zusätzliches Budget, das in den meisten Fällen für spezielle Klimaschutzprogramme (Förderung von Energieeffizienz, erneuerbaren Energien etc.) verwendet wird. Am Ende des zuvor festgelegten Zeitraums, einer Handelsperiode, müssen die Marktteilnehmer für ihre verursachten CO2-Emissionen ausreichend Zertifikate vorweisen – ansonsten drohen Sanktionen, z. B. in Form von Strafzahlungen.

Und hier ein Tipp für Ohren – ein hörenswerter kurzer Podcast zum Thema:

➔ Deutschlandfunk: CO2-Preis – mit Marktwirtschaft zum Klimaschutz? (25.10.2021)

Dabei will ich es belassen, eine weiter in die Tiefe gehende Auseinandersetzung kann in einer Grundlagen-Veranstaltung leider nicht geleistet werden. Aber Sie werden sehen – die Begriffe werden Ihnen lange nach dieser genialen Vorlesung bei mir immer wieder begegnen.

Anhang: Für die an der Thematik besonders Interessierten kommt nun noch eine kurze Darstellung eines wegweisenden Urteils, das vom Bundesverfassungsgericht im Frühjahr des Jahres 2021 verkündet wurde. Das hat in der Politik für eine Menge Aufsehen und Stress gesorgt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Perspektiven der späteren Generationen ins Blickfeld gerückt – mit einem wegweisenden Urteil im Jahr 2021

➔ Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich, so ist eine Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.04.2021 überschrieben. Und der Inhalt hat für einige sehr hohe Wellen im politischen Betrieb gesorgt.

»Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 (Klimaschutzgesetz ) über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Im Übrigen wurden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.«

Lesen wir mal weiter, das sollte Sie auch deshalb interessieren, denn geklagt haben „zum Teil noch sehr junge Beschwerdeführende“, also junge Menschen wie Sie:

»Das Klimaschutzgesetz verpflichtet dazu, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu mindern und legt durch sektorenbezogene Jahresemissionsmengen die bis dahin geltenden Reduktionspfade fest (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2). Zwar kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen gegen seine grundrechtlichen Schutzpflichten, die Beschwerdeführenden vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen, oder gegen das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verstoßen hat. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten verletzt.«

Warum das? Lesen Sie den folgenden Absatz mal genau durch:

»Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folgt auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern.«

Anders formuliert: Der Gesetzgeber hat mit der Ausgestaltung des Klimaschutzgesetzes auf Zeit gespielt, in dem ein großer Teil der erforderlichen, unvermeidlichen und viele Lebensbereiche berührenden und einschränkenden Klimaschutzmaßnahmen auf die Zeit nach 2030 verschoben werden – und dann natürlich noch dringender und „alternativloser“ umgesetzt werden müssen, der dann die heute junge Generation nicht ausweichen kann. Insofern ist der Urteilskern an diesem Punkt eindeutig: »Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.« Damit wird der Ball wieder zurückgekickt in das Spielfeld der Politik.