Ist ein Ende der weltweiten Dollar-Vorherrschaft in Sicht? Manche Staaten würde das wohl gerne wollen, aber …

Wir hatten in der Übungsveranstaltung eine Aufgabe, bei der es vergleichend um die Leistungsbilanzdefizite der Türkei und der USA ging – und um die Frage, warum die seit vielen Jahren kontinuierlich anhaltend hohen Leistungsbilandefizite der USA (noch) nicht zur einer schweren Währungs- und Wirtschaftskrise geführt haben.
Wie immer bei solchen komplexen Themen gibt es mehrere Gründe – aber einer wurde bei der Besprechung der Aufgabe hervorgehoben: der Status des US-Dollar als „Weltleitwährung“. Der führt u.a. dazu, dass die USA gleichsam wie ein „Staubsauger“ Kapital aus dem Ausland aufnehmen können. Und Sie wissen ja mittlerweile, welche Folgen ein Defizit auf der linken Seite der Zahlungsbilanz auf der rechten Seite, also der Kapitalbilanz haben muss. Defizitländer sind auf einen entsprechenden Kapitalimport angewiesen.

Wie sieht denn weltwirtschaftlich gesehen die Bedeutung des US-Dollar genau aus? Und was hat es mit dieser „Reservewährung“ auf sich?

➔ Was muss man sich unter einer „Leitwährung“ vorstellen? Als Leitwährung (oder Ankerwährung) bezeichnet man eine Währung, die in der Weltwirtschaft und im internationalen Zahlungsverkehr über Währungsräume hinweg in bedeutendem Umfang als Transaktions- und Reservewährung genutzt wird. Eine Ankerwährung ist gewöhnlich die Währung des Staates, der den Handel innerhalb eines Wirtschaftsraums dominiert: Im nordamerikanischen Raum (USA, Kanada, Mexiko) der US-Dollar, in Europa der Euro, im asiatisch-pazifischen Raum der Yen. Während des Bretton-Woods-Systems (von 1945 bis 1973) war der an den Goldstandard gebundene US-Dollar weltweite Ankerwährung. Die Deutsche Mark fungierte im Europäischen Währungssystem de facto bis zur Einführung des Euro im Januar 1999 als Ankerwährung.

Währungsreserven (auch Valutareserven) sind die von einer Zentralbank auf der Aktivseite ihrer Bilanz in Fremdwährung gehaltenen Mittel für Devisenmarktinterventionen und zur Finanzierung von Außenhandelsdefiziten.

Mit einem Anteil von fast 60 Prozent an den weltweiten Devisenreserven wird die mit Abstand (immer noch) einmalige Bedeutung des US-Dollar klar erkennbar. Die Nummer 2, also unser Euro, ist mit knapp 20 Prozent weit abgeschlagen. Währungen wie die des Systemrivalen der USA, also China, spielen mit weniger als 3 Prozent so gut wie keine Rolle.

Nun könnte der eine oder andere einwenden, dass sich die Anteilswerte auf die Währungsreserven der Zentralbanken beziehen. Wie ist aber die Bedeutung der einzelnen Währungen im internationalen Zahlungsverkehr, also mit welchen Währungen werden die Geschäfte gemacht? Dazu dann diese Abbildung:

Gibt es nicht Entwicklungen bzw. Bestrebungen, diese herausgehobene Rolle der US-Währung, die dann ja auch bei Konflikten wie aktuell dem russischen Überfall auf die Ukraine in Form von Sanktionen genutzt werden kann, zu beenden? Immer wieder wird man in diesem Zusammenhang mit der Vorhersage konfrontiert, dass die chinesische Währung den US-Dollar ein- oder gar überholen kann. Schauen wir uns dazu die aktuelle volkswirtschaftliche Debatte an, die ich Ihnen an zwei neuen Veröffentlichungen verdeutlichen werde. Dabei tauchen auch die „Schwellenländer“ (insbesondere die sogenannten „BRICS“-Staaten) auf.

Das Ende der Dollar-Vorherrschaft?

»Die Dominanz der US-Währung im internationalen Finanz- und Handelssystem stand lange außer Frage. Doch Länder wie Brasilien versuchen sich zu lösen«, so beginnt dieser Beitrag: Das Ende der Dollar-Vorherrschaft. Bei dem fehlt sogar ein Fragezeichen, so dass man durchaus den Eindruck haben kann, dass das Ende bevorsteht. Schauen wir genauer hin:

Wenn man zurückblickt, dann verliert der US-Dollar seit geraumer Zeit an Bedeutung: »Vor 50 Jahren stand die Dominanz des US-Dollars im internationalen Finanz- und Handelssystem noch außer Frage. 1977 erreichte der US-Dollar einen Spitzenwert von 85 Prozent als Leitwährung bei den Devisenreserven; 2001 lag der Anteil der US-Währung an den Devisenreserven noch bei 73 Prozent, und heute sind es nur noch rund 58 Prozent.«

Was spricht für eine weitere Schwächung des Dollars im internationalen Gefüge?

»Die derzeitigen globalen Veränderungen erschweren es den USA, ihre führende Rolle zu behaupten: Dass sich das Gravitationszentrum allmählich von Westen nach Osten verlagert, die US-Innenpolitik sich immer komplexer gestaltet, die aufstrebende Großmacht China an internationalem Gewicht gewinnt und die Länder des globalen Südens immer selbstbewusster auftreten, schwächt die Vorrangstellung und den Status des US-Dollars.«

Westliche Finanzakteure, Regierungsvertreter sowie renommierte Experten sind bemüht, die sogenannte „Entdollarisierung“ herunterzuspielen, und behaupten, ein relativ geschwächter Dollar bedeute nicht zwangsläufig seinen Niedergang. Dabei verweisen sie darauf, dass die US-amerikanische Währung »noch immer den weitaus größten Anteil am Welthandel, an den Devisentransaktionen, an den SWIFT-Zahlungen und den außerhalb der USA begebenen Schuldtiteln« habe.

»Auf dem Weg der sogenannten „Entdollarisierung des globalen Finanzwesens“ gab es einige Meilensteine. Eine entscheidende Rolle spielte die Euro-Einführung 1999, denn mittlerweile werden 20 Prozent der weltweiten Devisenreserven in Euro gehalten. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstand zudem die Asian Currency Unit – eine asiatische Währungseinheit, die sich aus 13 Währungen ostasiatischer Länder zusammensetzt (den zehn Ländern des südostasiatischen Staatenverbunds ASEAN plus Japan, China und Südkorea). Parallel zu den wirtschaftlichen Regionalisierungserfolgen brachte auch die vom Westen bestimmte Geopolitik globale Finanzinnovationen hervor, die die Vorrangstellung des US-Dollars geschwächt haben.«

Die Tatsache, dass gegen Länder wie den Iran (insbesondere seit 2006) und Russland (seit der Annexion der Krim 2014) zunehmend Sanktionen verhängt wurden, beförderte den Umstieg auf alternative Währungsvereinbarungen, so die beiden Autoren des Beitrags. »Derzeit belegt Washington 22 Länder mit Sanktionen. Die russische Invasion in die Ukraine 2022 und die Ausweitung von Sanktionen, die die Nutzung des US-Dollars erschweren, animieren zu Maßnahmen, welche die Entdollarisierung zusätzlich verstärken.«

Und dann zählen sie auf: »Auf die Entscheidung, Russland von SWIFT abzukoppeln, reagierte Moskau mit dem Ausbau seiner bilateralen Beziehungen im Treibstoffhandel, der teilweise in Rubel abgewickelt wird. Gleichzeitig nahmen Russland und mehrere afrikanische Länder Verhandlungen über Zahlungen in nationalen Währungen auf, wobei sowohl der US-Dollar als auch der Euro als Zahlungsmittel abgelöst werden sollen. China ist unterdessen dabei, sich vom Westen abzuschotten und den Renminbi international zu etablieren, auch wenn er noch nicht einmal drei Prozent der offiziellen Währungsreserven weltweit ausmacht. Moskau und Peking intensivieren ihre finanzielle Zusammenarbeit; Frankreich und Saudi-Arabien haben sich darauf geeinigt, bestimmte Öl- und Gasgeschäfte in Renminbi abzurechnen, und Bangladesch ist bereits das neunzehnte Land, das den Handel mit Indien in Rupien abwickelt.«

Und sogar das Gold taucht hier auf: »Hinzu kommt, dass auch der Goldrausch in vollem Gange ist. Wie Ruchir Sharma kürzlich feststellte, sind die wichtigsten Käufer mittlerweile die Zentralbanken, die „inzwischen mehr Tonnen Gold beschaffen als zu jedem anderen Zeitpunkt seit Beginn der Aufzeichnungen 1950 und die derzeit einen Rekordanteil von 33 Prozent der monatlichen weltweiten Goldnachfrage ausmachen […], wobei neun der zehn wichtigsten Abnehmer die Zentralbanken von Entwicklungsländern sind“. Außerdem wollen einige Länder Afrikas offenbar mit Währungen handeln, die durch Rechte an Seltenen Erden gedeckt sind. Im globalen Süden setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Entdollarisierung ein wichtiger Schritt hin zu einer multipolaren Welt ist, in der neue Akteure, Interessen und Regeln zusammenwirken.«

Die beiden Verfasser des Beitrags schlussfolgern: »Es zeichnet sich also ab, dass sich nach und nach ein Handelssystem mit mehreren Währungen herausbilden wird.«

Und die BRICS-Staaten? Für Brasilien ist die Entdollarisierung Teil der außenpolitischen Strategie der nunmehr dritten Amtszeit von Präsident Lula da Silva

»Auftrieb bekam Lulas Eintreten für die Entdollarisierung dadurch, dass Brasilien den BRICS-Staaten angehört und dabei ist, seine bilateralen Beziehungen zu China auszubauen. Die anhaltend rekordverdächtigen brasilianisch-chinesischen Handelsbeziehungen erreichten 2022 einen Spitzenwert von 150,5 Milliarden US-Dollar (zum Vergleich: Das Handelsvolumen zwischen Russland und China betrug im selben Jahr 190,2 Milliarden US-Dollar). Bei Lulas Staatsbesuch in China wurden die bilateralen Beziehungen kürzlich weiter intensiviert. Derzeit handeln beide Staaten neue Vereinbarungen aus, die dafür sorgen sollen, dass Handels- und Finanzgeschäfte direkt in chinesischen Renminbi und brasilianischen Reais abgewickelt werden. Parallel will sich die brasilianische Regierung im Rahmen der New Development Bank (NDB) – der multilateralen Bank der BRICS-Staaten – für ein entdollarisiertes Handelssystem starkmachen, zu dem außer den BRICS-Mitgliedern auch die Länder gehören sollen, die Kredite der NDB in Anspruch nehmen können.«

»Brasilien hat – vor allem gemeinsam mit Argentinien – inzwischen auch einen ersten Versuch unternommen, seinen südamerikanischen Nachbarn die Entdollarisierung näherzubringen. Im Februar dieses Jahres wurden bilaterale Gespräche aufgenommen, um ein gemeinsames Währungsprojekt zu erarbeiten, das die Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren soll. Damit könnte die Entdollarisierung innerhalb des MERCOSUR-Raums Einzug halten, welchem neben Argentinien und Brasilien auch Paraguay, Uruguay und Venezuela angehören.«

De-Dollarisierung der Weltwirtschaft – diesmal mit einem dicken Fragezeichen (und einer Absage)

Gunter Rieck Moncayo hat im Mai 2023 ein kurzes Paper veröffentlicht, das so überschrieben ist: De-Dollarisierung der Weltwirtschaft? Warum der Renminbi nicht als neue Leitwährung taugt. »In jüngster Zeit tauchten vermehrt Meldungen über eine vermeintliche De-Dollarisierung der Weltwirtschaft auf. Die Dominanz des US-Dollars bei der Finanzierung des internationalen Handels sowie seine herausgehobene Rolle als Reservewährung würden demnach durch den Aufstieg des Renminbi und den Aufbau eines BRICS-eigenen Zahlungssystems bedroht.«

Auch dieser Autor sieht eine Bedeutungszunahme der chinesischen Währung, aber: »… in der Tat nimmt die Bedeutung der chinesischen Währung zu. Das ist jedoch angesichts der Stellung Chinas im Welthandel nicht verwunderlich. Und es handelt sich auch nicht um eine neue Entwicklung. Bereits Ende 2013 meldete der Dienstleister SWIFT, dass der Renminbi in dem Markt für Akkreditive, einem klassischen Instrument der Außenhandelsfinanzierung, erstmals den Euro überholt hatte und damit für einige Zeit auf Platz zwei hinter den Dollar aufgerückt war. Gleichzeitig ist der Abstand zum US-Dollar sowohl hier als auch bei anderen Indikatoren weiterhin so groß, dass eine baldige Ablösung als globale Leitwährung auch bei weiteren Zugewinnen des Renminbi nicht zu erwarten ist.«

»Hinzu kommt, dass der Aufstieg des Renminbi nicht zwangsläufig mit einem Bedeutungsverlust des Dollars einhergehen muss. Während der Dollar über Jahrzehnte hinweg stabil an rund 88 Prozent aller Währungsgeschäfte weltweit beteiligt ist, entsprechen die anteilsmäßigen Zugewinne des Renminbi der letzten 20 Jahre von 0,1 auf 7 Prozent den Verlusten des Euro im gleichen Zeitraum von 37,4 auf 30,5 Prozent. Und auch ein Blick auf den Währungskorb des Internationalen Währungsfonds, der in periodischen Abständen an die Bedeutung der Währungen im Welthandel und an den Finanzmärkten angepasst wird, verdeutlicht dies: Betrug das Gewicht des Euro vor der Aufnahme des Renminbi als Korbwährung noch 37,4 Prozent, so sind es seit August 2022 nur noch 29,31Prozent. Der Anteil des US-Dollars ist hingegen im gleichen Zeitraum leicht angestiegen und wurde offensichtlich nicht durch die Aufnahme der chinesischen Währung geschwächt.«

Zinsentwicklung und Sanktionen gegen Russland begünstigen den Renminbi kurzfristig

➔ »Da ist zum einen die unterschiedliche Zinsentwicklung. Die FED hat den Leitzins seit 2022 in zehn Schritten von 0,25 auf 5,25 Prozent erhöht. Dieser Anstieg verteuert die Finanzierungskosten in US-Dollar erheblich. Die chinesische Zentralbank hat ihren Leitzins hingegen im gleichen Zeitraum auf aktuell 3,65 Prozent gesenkt und hält die Währung damit weiter künstlich unterbewertet. Finanzierungen in Renmimbi sind damit aktuell verhältnismäßig günstig. Angesichts der schnell zurückgehenden Inflation in den USA dürfte dieser Trend jedoch nicht langfristig anhalten.«

➔ »Zum anderen haben auch die Sanktionen gegen Russland einen starken statistischen Effekt. Ein großer Teil des russischen Außenhandels erfolgt mangels Alternativen nun mit China. So exportiert Russland große Mengen Erdöl über den Nahen Osten und Malaysia nach China und erhält dafür Yuan. Weitere Yuan aufgrund der Sanktionen erhält Russland aus Bangladesch für den Bau des Kernkraftwerkes Ruppur. Vorhergehende Zahlungen wurden noch in Dollar geleistet und wären ohne den Krieg und seine Folgen mit Sicherheit weiterhin in Dollar erfolgt. Der jüngste Zugewinn des Renminbi erfolgte also weniger aus einer Stärke der chinesischen Währung heraus, denn aus einer Schwäche Russlands.«

Warum langfristig gesehen zentrale Voraussetzungen für einen weiteren Aufstieg der chinesischen Währung (noch und absehbar) fehlen:

»Länder wie Russland, Saudi-Arabien und Brasilien müssen eine sinnvolle Verwendung finden für etwaige Yuan, die sich aufgrund des Exports von Rohstoffen ansammeln könnten. Eine mit der universellen Einsetzbarkeit des US-Dollars auch nur im Ansatz vergleichbare Möglichkeit gibt es für Yuan bislang nicht. Unter anderem fehlt es dafür an einer Vielzahl bilateraler Abkommen, die Zahlungen in Yuan ermöglichen würden. Auch der für die Anlage nötige Markt für Finanzinstrumente ist bislang kaum entwickelt.«

Und wahrscheinlich noch bedeutsamer:

»Ein ganz entscheidendes Argument gegen eine unmittelbar bevorstehende De-Dollarisierung der Weltwirtschaft ist darüber hinaus die fehlende Transparenz der chinesischen Währungspolitik und das daraus resultierende mangelnde Vertrauen. Beides ist für eine globale Leitwährung jedoch unabdingbar. Solange China seine Kapitalverkehrskontrollen aufrechterhält, wird der Bedeutungszuwachs des Renminbi begrenzt bleiben, auch in Ländern, die China politisch näherstehen als den USA. Der Finanzanalyst Diego Faßnacht formulierte das Dilemma so: „Wer möchte schon sein Geld so aufbewahren, dass er vom Wohlwollen der chinesischen Regierung abhängig ist, ob er es nutzen kann?“«

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Für die an diesem Thema besonders Interessierten hier noch zwei Lese-Tipps:

Bereits im Jahr 2018 wurde diese Artikelsammlung mehrerer Autoren in der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“ veröffentlicht – viele der damals vorgetragenen Argumente sind immer noch gültig:

➔ Bernd Kempa et al. (2018): Der US-Dollar als Leitwährung – alternativlos?, in: Wirtschaftsdienst, Heft 10/2028, S. 691–710
»Die Bedeutung der Industrieländer – auch der USA – für die Weltwirtschaft nimmt schon seit langem ab. Vor allem Chinas Anteil hat demgegenüber deutlich zugenommen. Dennoch erfüllt der US-Dollar bislang weitgehend die Kriterien für eine Leitwährung, auch wenn diese angesichts der protektionistischen Haltung der USA zunehmend kritisiert wird. Entsprechend halten die Zentralbanken ihre Reserven vor allem in US-Dollar und Transaktionen werden zu einem großen Teil in der US-Währung vorgenommen. Für die USA gibt es große Vorteile, die Stellung als Leitwährung zu halten, unter anderem erleichtert dies den USA, Sanktionen zu überwachen und durchzusetzen. Ob andere Währungen, insbesondere der Renminbi, die Leitwährungsfunktion einmal ausfüllen können, ist fraglich. Ebenso scheint es wenig realistisch, dass sich die Marktteilnehmer auf eine Globalwährung einlassen könnten.«

Aus der ganz aktuellen Fachdiskussion über die Ambitionen Chinas, den Dollar als Leitwährung vom Thron zu stürzen, empfehle ich diese Veröffentlichung:

Hanns Günther Hilpert (2024): Chinas währungspolitische Offensive. Die Herausforderung der Internationalisierung und Digitalisierung des Renminbi, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), März 2024

»Geld, Währung und Zahlungsverkehr sind in China Manifestationen staatlicher Souveränität und politischer Macht. Vorrangiges Ziel der chinesischen Währungspolitik ist es, nach innen Stabilität zu wahren, nach außen die Spielräume des eigenen Einflusses auszuweiten und das globale Finanz- und Währungssystem kompatibler zu den Strukturen des chinesischen Einparteienstaats umzugestalten.
China verfolgt die Internationalisierung des Renminbi mehrgleisig, hartnäckig in kleinen Schritten und mit langfristiger Perspektive, scheut aber bislang den entscheidenden Übergang zur Konvertibilität.
Bis dato spielt der Renminbi auf den Weltfinanz- und Weltwährungsmärkten keine maßgebliche Rolle. Allerdings profiliert er sich als Handels-, Kredit- und Reservewährung in Asien und im globalen Süden.
In der Entwicklung und Einführung von digitalem Zentralbankgeld ist China Pionier. Es strebt nach einer Führungsrolle bei der Digitalisierung des internationalen Zahlungsverkehrs. Prospektiv könnten die in China entwickelte Technologie und Infrastruktur und die dabei gesetzten Standards eines grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs mittels Blockchain und in Echtzeit das aktuell bestehende internationale Banken- und Clearingsystem kostengünstig ersetzen.
Digitales Zentralbankgeld besitzt aus Sicht der chinesischen Führung viel­versprechende Potentiale: Innenpolitisch eröffnen sich weitere Möglichkeiten der Überwachung und Repression. Für China und Drittländer würde es einfacher werden, westliche Finanzsanktionen zu umgehen.
In Reaktion auf Chinas währungspolitische Offensive sollten die EU und die Europäische Zentralbank ihre eigenen Anstrengungen zur Internationalisierung und Digitalisierung des Euros verstärken. In der künftigen kritischen Infrastruktur eines interoperablen Systems für den internationalen Zahlungsverkehr mit digitalem Zentralbankgeld sollte Europa eine Abhängigkeit von China vermeiden.«