Funktionierende Märkte durch Behörden? Teil 1: Die Bundesnetzagentur, die sich auch um die Post kümmern muss

Bei der Behandlung der „natürlichen Monopole“1 haben Sie gelernt, dass gerade die leitungsgebundene Infrastruktur sich in dieser spezifischen Marktform bewegt. Am Beispiel der Schieneninfrastruktur bei den Eisenbahnen kann man sofort erkennen, dass es nun wirklich keinen Sinn macht, dass es ökonomisch gesehen sogar kontraproduktiv wäre, wenn miteinander konkurrierende Anbieter iihre eigenen Schienentrassen nebeneinander bauen würde, unabhängig davon, dass das auch praktisch unmöglich wäre. was aber nicht bedeutet, dass die vor- und nachgelagerten Märkte auch in einem Monopol sein müssen, ganz im Gegenteil, hier kann man sich sehr gut eine wettbewerbliche Ausgestaltung vorstellen und eine solche auch ansteuern.

Beispiel: Schieninfrastruktur und (private) Eisenbahnverkehrsunternehmen

Genau das ist auch in weiten Teilen des Schienenverkehrs in den vergangenen Jahren passiert, nachdem der ehemals staatsmonopolistische Anbieter Bundesbahn dereguliert wurde.2 Mittlerweile gibt es 500 zugelassene Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in Deutschland. Und die privaten Anbieter gewinnen seit Jahren Marktanteile, also vor allem im Güterverkehr sowie im Regionalverkehr. Die Deutsche Bahn veröffentlicht regelmäßig sogenannte Wettbewerbskennzahlen, denen man die Marktanteile entnehmen kann:

Allerdings findet man keine Abbildung zum Bereich Schienenpersonenfernverkehr – das ist auch kein Wunder, denn hier ist die Deutsche Bahn (fast) allein auf der Schiene: Der Anteil der Deutsche Bahn AG am Schienenpersonenfernverkehr in Deutschland liegt bei 95 Prozent. Größter Wettbewerber ist FlixTrain, der im Jahr 2024 rund 50 Stationen anfuhr. Im Jahr 2025 hat FlixTrain 35 Züge beim spanischen Hersteller Talgo bestellt, um das Angebot weiter auszubauen. Zum Vergleich: Die Deutsche Bahn betrieb im Jahr 2024 über 400 ICE-Züge. Neben FlixTrain gibt es noch die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und die Westbahn als Konkurrenten im Fernverkehr, aber alle bewegen sich noch im Spurenelemente-Bereich, was die Marktanteile angeht.

Es ist allen sofort einsichtig, dass wenn mehrere Anbieter auf den Strecken miteinander konkurrieren, dass dann die im natürlichen Monopol befindliche Schieneninfrastruktur als eine Art Flaschenhals wirkt, denn die Kapazitäten sind nicht unendlich ausweitbar, ganz im Gegenteil gibt es nur eine (technisch begrenzte) Zahl an Slots, die dann verteilt werden müssen auf die miteinander im Betrieb konkurrierenden Anbieter. Und da kommt dann das Problem, dass einer der Wettbewerber, die ehemals staatsmonopolistische Deutsche Bahn, der Eigentümer der Schieneninfrastruktur ist – und es ist betriebswirtschaftlich naheliegend und rational, dass wenn man auf der Schieneninfrastruktur sitzt, diese gegen die eigenen Konkurrenten gebraucht bzw. missbraucht wird, in dem man beispielsweise zu hohe Nutzungsgebühren für die Schienen verlangt. Die gleiche Grundproblematik hat man auch in anderen Feldern, in denen leitungsgebundene Infrastruktur im natürlichen Monopol ist, man denke hier an den Bereich der Telekommunikation (Leitungen für Telefonie bzw. Internet). Und auch bei diesem Beispiel haben wir es mit einem ehemals staatsmonopolistischen Besitzer der Infrastruktur zu tun, die Telekom, die nun mit anderen Anbietern im Wettbewerb steht.3

Ein Schiedsrichter: Die Bundesnetzagentur

Man braucht also vor diesem Hintergrund einen Dritten, der wie ein Schiedsrichter fungieren kann und muss, damit es nicht zu einem Missbrauch von Marktmacht kommt oder kommen kann.

Man achte auf den Mechanismus:

➔ Man dereguliert eine ganze Branche – und muss sofort wieder (re)regulieren, damit ein funktionsfähiger Wettbewerb ermöglicht werden kann.

Diese Aufgabe wurde einer eigenen Behörde zugewiesen, die ihren Sitz in Bonn hat:

Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur ist in vier volkswirtschaftlich zentralen Bereichen zuständig:

➔ Energie
➔ Telekommunikation
➔ Post
➔ Eisenbahn

Sie setzt den Rahmen für einen diskriminierungsfreien, fairen Wettbewerb der Anbieter und ermöglicht neuen Unternehmen den Marktzugang. Gleichzeitig schützt sie Menschen, die Netze nutzen. Denn Wettbewerb sorgt für Anbieter- und Produktvielfalt, aber auch für komplexere Märkte. Die Bundesnetzagentur hat also auch Aufgaben im Bereich des Verbraucherschutzes.

➔ Ein aktuelles Beispiel zu der Aufgabenstellung Verbraucherschutz kommst aus dem Bereich Post: Bundesnetzagentur droht Post mit Geldstrafe, so ist ein Artikel überschreiben, der am 1.11.2025 veröffentlicht wurde: »Um ein Drittel sind die Beschwerden über die Dienstleistungen der Post gestiegen. Das gibt die »Gelbe Karte« der Bundesnetzagentur, sagt Behördenchef Müller. Wenn es keine Verbesserung gibt, zückt er Rot.« Was ist da los? »Die Bundesnetzagentur hat der Deutschen Post wegen des massiven Anstiegs an Beschwerden erstmals mit einer Geldstrafe gedroht. Bis August seien 38.760 Beschwerden eingegangen, im Vorjahreszeitraum waren es 27.693 – »ein Anstieg um ein Drittel«, sagte Behördenpräsident Klaus Müller … Die Bundesnetzagentur habe mit der Novelle des Postgesetzes neue Kompetenzen bekommen. »Und die werden wir nutzen. Wenn Verstöße nicht wirksam behoben werden, werden wir Zwangsgelder verhängen«, bekräftigte Müller. Gesetzlich möglich wäre demnach eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro. Besonders in Schleswig-Holstein häuften sich die Probleme, in Husum, Lübeck, Flensburg, Kiel. Auch in Berlin und Brandenburg gebe es Ausschläge nach oben, führte der Präsident der Bundesnetzagentur aus. Die Deutsche Post habe auf eine angespannte betriebliche Lage verwiesen, es fehle also Personal, um Briefe und Pakete zuzustellen. »Wofür die Kunden ja bezahlen, das Porto ist erst kürzlich angehoben worden«, sagte Müller weiter.« Aber es wird auch unter Vorbehalt von Licht am Ende des Tunnels berichtet: »Der Scheitelpunkt der Beschwerden« sei jedoch im Juli überschritten worden, räumte der Behördenpräsident ein. Die Deutsche Post habe zusätzliches Personal rekrutiert, das jetzt eingearbeitet werde. »Nach über 9000 Beschwerden im Juli bewegen sich die Zahlen nun wieder auf einem etwas niedrigeren Niveau.« Allerdings stehe das Weihnachtsgeschäft auch erst noch bevor.

Fußnoten

  1. Zur Erinnerung; Ein sogenanntes natürliches Monopol liegt vor, wenn die Gesamtkosten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung bereitzustellen, geringer sind, wenn nur ein Anbieter vorhanden ist als wenn mehrere Anbieter auf dem Markt tätig sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn sehr hohe Fixkosten für die Bereitstellung einer Infrastruktur anfallen (zum Beispiel Schieneninfrastruktur, Häfen); es wäre mit extrem hohen Kosten verbunden, ein weiteres Schienennetz aufzubauen oder einen zusätzlichen Hafen in einer Region. Weitere Beispiele wären Stromleitungen oder Tunnel. Natürliche Monopole sind auch eine Form des Marktversagens – das haben Sie kennengelernt am Beispiel der negativen externe Effekte, aber auch der Informationsasymmetrien.
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  2. Die Bahnreform 1994: Die Deregulierung der Deutschen Bundesbahn (DB) war ein mehrstufiger Prozess, der mit dem Beschluss von 1992 zur Privatisierung begann und 1994 mit der Fusion der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn zur Deutsche Bahn AG seinen Höhepunkt fand. Das Ziel war die Sanierung des schuldentragenden Unternehmens, die Schaffung eines wettbewerbsfähigen und profitablen Eisenbahnbetriebs sowie die Umsetzung der EG-Richtlinien für einen diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz. Eine weitere Stufe der Deregulierung erfolgte am 1. Januar 1999 mit der Gründung von fünf eigenständigen Aktiengesellschaften unter dem Dach der Deutschen Bahn AG, die die Bereiche Fernverkehr, Nahverkehr, Güterverkehr, Infrastruktur und Bahnhöfe voneinander trennten.
    Wer sich für mehr Hintergründe interessiert, der kann einige geschichtlichen Aspekte und ökonomische Hintergründe beispielsweise in dieser – von der Deutsche Bahn AG herausgegebenen – Veröffentlichung nachlesen: Andreas Schwilling et al. (2014): 20 Jahre Bahnreform und Deutsche Bahn AG. Erfolge und künftige Herausforderungen, Berlin: Deutsche Bahn AG, 2014.
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  3. Die Postreform fand ebenfalls in den 1990er Jahren statt (bis dahin gab es sogar noch ein Bundespostministerium)und die Telekom ist eine der drei Post-Nachfolgeunternehmen. Die Deutsche Bundespost wurde zerschlagen in die Deutsche Post für den Brief- und Paktedienst, die Deutsche Telekom für die Telekommunikationsdienste und die Postbank für das Bankgeschäft.
    Auch hier eine Literaturempfehlung für diejenigen, die sich detaillierter damit beschäftigen wollen: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (2009): Die Postreform in Deutschland. Eine Rückschau, Stuttgart 2009.
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