Wir haben wirklich sehr intensiv über das Themenfeld Marktformen (vgl. dazu Sell 2024: 71 ff.) gesprochen und ich habe versucht, Ihnen das an zahlreichen Beispielen aus der Wirtschaftswelt zu erläutern. Die Typologie der Marktformen ist in vielerlei Hinsicht hilfreich – für Unternehmens- und Branchenanalysen, für die Bestimmung des wettbewerblichen Verhaltens auf konkreten Märkten bis hin zu der Frage, mit welchen Preisbildungsprozessen man konfrontiert wird.
Wobei Sie gelernt haben sollten, dass Preisbildungsprozesse in der Regel eben nicht so ablaufen, wie man sich das als der an sich ideale Ausgleichsmechanismus zwischen Angebot und Nachfrage in der Theoriewelt der Volkswirte so vorstellt. Denn die konkrete Preisbildung erfolgt in der Regel a) in Abhängigkeit von der unterschiedlichen Marktmacht der Akteuere auf einem konkreten Markt und wenn dort Wettbewerbsverzerrungen vorherrschen (was eigentlich fast immer der Fall ist), dann kommt es zu entsprechenden verzerrten Ergebnissen sowie b) nicht selten gibt es auch von außen bewusst vorgenommene Regulierungen, beispielsweise in Form von Mindestpreisen oder Höchstpreisen oder konkreten Vorschriften zur Preisfindung.
➔ Ein Beispiel für Mindestpreise wäre der gesetzliche Mindestlohn als staatlich gesetzte Lohnuntergrenze, die von Arbeitgebern nicht unterschritten werden darf bei den Preisen für den Faktor Arbeit, genauer: im Fall der abhängigen Beschäftigung, denn für Selbstständige gilt der Mindestlohn pro Zeitstunde nicht. Aber es gibt noch zahlreiche andere Beispiele für Mindestpreise, nehmen Sie beispielsweise die Einspeisevergütungen für Solarstrom oder die Gebühren- und Honorarordnungen für Steuerberater und Architekten. Auch Festpreise im Gesundheitswesen kann man als Mindestpreise auffassen.1 Eine klassische ökonomische Kritik an den Mindestpreisen stellt darauf ab, dass sie häufig über einen ansonsten niedrigeren Gleichgewichtspreis liegen und dass mehr angeboten als nachgefragt wird, so dass Angebotsmengen übrig bleiben (als Beispiel werden dann immer aus der Agrarökonomie die berühmten „Milchseen“ und „Butterberge“ in den 1980er Jahren genannt, als die EU sich verpflichtete, Agrarprodukte zu garantierten Preisen aufzukaufen).
➔ Ein Beispiel für eine Regulierung (oder den Versuch) für Höchstpreise wäre die Mietpreisbremse. Generell kann man formulieren, dass Höchstpreise staatlich festgesetzte Preisobergrenzen sind, die unterhalb des am Markt gebildeten Gleichgewichtspreises für ein Gut liegen. Höchstpreise sollen die Verbraucher vor übermäßig hohen Preisen schützen und werden vor allem in Zeiten des wirtschaftlichen Mangels (z. B. nach Naturkatastrophen, inneren Unruhen, in Kriegs- oder Nachkriegszeiten) festgesetzt, um die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern zu gewährleisten.2 Spiegelbildlich zur Argumentation bei den Mindestpreisen wird hier kritisch vorgetragen: Staatlich verordnete Höchstpreise führen zu einem Nachfrageüberhang (Nachfrage nach diesen Gütern ist größer als das Angebot), da manche Unternehmen wegen sinkender Gewinne die Produktion verringern oder ganz einstellen. Es kann dazu kommen, dass sich Schwarzmärkte herausbilden, auf denen die Güter zu Preisen gehandelt werden, die über dem Höchstpreis liegen.
Sie sollten auch die Verbindung bzw. den Zusammenhang zwischen dem vom Modell des Produktlebenszyklus abgeleiteten Modell der Marktphasen und der in den einzelnen Marktphasen unterschiedlich dominierenden Marktformen kennen und einordnen können (vgl. Sell 2024: 76 ff.).
➔ Vor allem die am Beispiel der Pharmaindustrie herausgearbeitete Bedeutung der Einführungsphase mit dem Monopol eines Pionierunternehmers („Innovator“) mit hohen Marktzutrittsschranken und hohen Gewinnen sollte Ihnen in Erinnerung bleiben. Auf diese Phase stellt der ganze Komplex mit Patenten und anderen (temporären) Schutzregelungen ab, ein enorm wichtiges Teilgebiet des modernen Wirtschaftsrechts. Ich habe das ausführlich am konkreten Fallbeispiel der ganz eigenen Welt der Preisbildung bei Arzneimittel herausgearbeitet (vgl. dazu Sell 2024: 77-82).
Einige Grundbegriffe und Grundmodelle aus der Welt der Preisbildung bis hin zu der Preissetzung in Abhängigkeit von der Marktform:
Sie haben hoffentlich gelernt und verstanden, dass Auktionen (vgl. dazu Sell 2024: 83-89) tatsächlich in der wirklichen Wirtschaftswelt eine weitaus größere Bedeutung haben als die von vielen auf den ersten Blick vorgenommene Zuordnung und Begrenzung auf eine bestimmte Art und Weise, wie man Kunstwerke versteigert.
➔ Wobei die Kunstökonomie als eigene Teildisziplin3 nicht nur eine spannende Sache ist, sondern auch hier geht es um ganz große Zahlen (und auch dieser Bereich ist von der allgemeinen Krise nicht verschont): Der weltweite Umsatz mit Kunst im Jahr 2024 belief sich auf 57,5 Milliarden Dollar (ein Minus von 12 Prozent zu 2023, in dem Jahr gab es schon einen Rückgang von „nur“ 5 Prozent gegenüber 2022). Und bei den großen Zahlen tauchen sie auch wieder auf, die Auktionshäuser: Stark betroffen von dem Einbruch des Kunstmarktes auf der Umsatzseite waren die Auktionshäuser, die mit 23,4 Milliarden Dollar insgesamt 20 Prozent weniger umsetzten als im Jahr zuvor.4
Aber Auktionen finden sich wie beschreiben in unterschiedlichen Ausprägungen (vgl. die Abbildung zu den Grundformen der Auktionen bei Sell 2024: 84) in ganz unterschiedlichen Branchen und sie stellen in der modernen Wirtschaftswelt eine ganz wichtige Variante der Preisfindung und Preisbildungsprozesse dar.
Man kann die Bedeutung der Auktionen gar nicht überschätzen:
»Wie den Ausführungen des griechischen Geschichtsschreibers Herodot zu entnehmen ist, fand im 5. Jahrhundert v. Chr. in den Dörfern Mesopotamiens einmal im Jahr ein Heiratsmarkt statt, auf dem junge Mädchen an Ehemänner versteigert wurden. Die Preise orientierten sich Herodot zufolge an der Schönheit der Frauen. Für die weniger ansehnlichen wurde Bietern aus den Auktionserlösen angeblich sogar Geld als Mitgift geboten, mit der Auflage, dass die Bieter die Frauen auch ehelichten … Die Frauen hatten jedoch angeblich das Recht ein Gebot abzulehnen, sodass die Transaktionen storniert wurden … Diese babylonischen Heiratsmärkte, welche in der Antike vor rund 2500 Jahren stattfanden, betrachten Ökonomen ohne viel Mitgefühl als die vermutlich ersten schriftlich überlieferten Auktionen. Offenbar hat es sich dabei um sogenannte Erstpreisauktionen … gehandelt mit der Besonderheit, dass Preise positiv oder negativ sein konnten. Bekannt ist auch, dass Goethe mehr als zwei Jahrtausende später im Jahr 1797 eine sogenannte Zweitpreisauktion mit verdeckten Geboten … durchführte, um die Druck- und Vertriebsrechte an seinem Epos„Hermann und Dorothea“ an seinen Verleger Vieweg zu veräußern … Heute erfreuen sich Auktionen einer enormen Verbreitung und Popularität, auch befeuert durch das Internet … Google versteigert seine Anzeigenplätze, an der EEX wird Strom verauktioniert. Bordeauxweine, Kunstwerke, Schlachtschweine, Brieftauben, Fundsachen, Immobilien, Wertpapiere und Schuldtitel etc. pp. – Auktionen sind allgegenwärtig. Selbst Gülle wird auf Güllebörsen versteigert, wobei je nach Situation von Angebot und Nachfrage teils positive, teils negative Preise erzielt werden.5 Auch staatliche Stellen nutzen Versteigerungen inzwischen als beliebten Allokationsmechanismus, um etwa Funkfrequenzen, Fangquoten für Fische und CO2-Emissionsrechte höchstbietend zu veräußern.« (Haucap 2020: 350).6
Und wir haben uns beschäftigt mit dem berühmten „Schweinezyklus“, der in jedem volkswirtschaftlichen Lehrbuch auftaucht. Der Begriff ist zwar schon vor vielen Jahrzehnten entstanden im Umfeld der Beobachtung der Entwicklung der Schweinepreise (konkret in der Dissertation des deutschen Nationalökonomen Arthur Hanau im Jahr 1928), aber wir haben besprochen, dass das dort erkannte Muster des Auf und Ab der Schweinepreise nicht nur heut noch Gültigkeit hat, sondern dass das auch in anderen Bereichen erkennbar ist.
Nehmen Sie als Beispiel aus diesen Tagen die Entwicklung des Ferkelpreises:

Und generell kann man das Muster erkennen, wenn man sich die Preisentwicklung bei tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen in der Landwirtschaft anschaut:

➞ Ich habe Ihnen das ergänzend illustriert am Fallbeispiel „Schweinezyklus“ bei Kartoffeln: Es gibt viel zu viele Kartoffeln in diesem Jahr (2025). Und das hat den Preis gedrückt. Seit November 2024 ist der Erzeugerpreis, also das, was die Landwirte pro Tonne Kartoffeln bekommen, um rund 42 Prozent gefallen. Zwischen acht und 15 Euro werden pro 100 Kilogramm aufgerufen, so niedrig waren die Preise zuletzt 2021. Weil es in den letzten zwei Jahren zu wenige Kartoffeln gab, war der Preis dementsprechend hoch. Und weil die freien Mengen in den Vorjahren so gut gelaufen sind, haben viele Bauern sich 2025 gedacht, sie könnten noch mehr verdienen, wenn sie die Anbauflächen vergrößern. Es gibt rund acht Prozent mehr Kartoffeläcker im Vergleich zum Vorjahr. Das rächt sich jetzt. Eine durchschnittliche bis sehr gute Ernte europaweit plus die vergrößerten Flächen und eine kleine Delle in der Nachfrage – und schon stürzten die Preise in den Keller. Pommeskartoffeln sind teilweise für 1,5 Cent pro Kilo zu haben – und trotzdem bleiben sie liegen. Im nächsten Jahr beginnt das Spiel von vorne. Die Prognose eines Kartoffel anbauenden Landwirts: »Die Anbauflächen werden wieder schrumpfen. Und dann zieht der Preis auch wieder an. Damit muss man als Bauer immer leben. Ist halt Natur.«
Und Sie haben hoffentlich in Erinnerung behalten – selbst ein Teil des Arbeitsmarktes für Akademiker – genauer: der für Lehrer – bewegt sich in einem „schweinischen Markt“.
Fußnoten
- Zugleich haben Festpreise im Gesundheitswesen auch die Funktionalität von Höchstpreisen, insofern ist der Charakter von Festpreisen ambivalent.
↩︎ - Aber auch in heutigen Zeiten wird man immer wieder mit Höchstpreis-Regulierungsversuchen konfrontiert. Denken Sie mal zurück an den enormen Inflations- also Preissteigerungsschub, den wir seit 2022 erfahren mussten, wobei vor allem die Energiepreise extrem nach oben geschossen sind. Es gab Länder wie Spanien, die zum Schutz der Bevölkerung vor außergewöhnlichen Preissteigerungen Höchstpreise im Energiebereich eingeführt haben. Oder erinnern Sie sich an die Corona-Pandemie: Im Frühjahr 2020 wurde vom Gesetzgeber die Möglichkeit eingeführt, Höchstpreise sowie maximale Groß- und Einzelhandelsmargen für Waren oder Dienstleistungen, die für den Schutz der Gesundheit bzw. die Sicherheit der Menschen sowie für die Haushaltsführungskosten von Bedeutung sind, festzulegen. Diese Preisbegrenzungsmöglichkeit zielte damals vor allem auf Arzneimittel, Schutzmasken, Einweghandschuhe oder Desinfektionsmittel.
↩︎ - Wer sich ausführlicher über dieses Teilgebiet der Ökonomie informieren will, dem empfehle ich das folgende einführende Buch (das Sie sich im Hochschulnetz über Springer Link herunterladen können: Bruno S. Frey (2019): Ökonomik der Kunst und Kultur. Kompakt – verständlich – anwendungsorientiert, Wiesbaden, 2019.
↩︎ - Quelle der Daten: https://www.monopol-magazin.de/art-basel-ubs-global-market-report-der-umsatz-mit-kunst-schrumpft-erneut ↩︎
- Tatsächlich wird Gülle auf Güllebörsen versteigert, vgl. als Beispiel https://www.guellemarkt24.de).
↩︎ - Justus Haucap (2020): Das optimale Design von Auktionen als Teil einer modernen Ordnungspolitik: Zum Ökonomie-Nobelpreis 2020 für Robert Wilson und Paul Milgrom, on: ORDO. Jahrbich für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Bd. 71, 2020, S. 349-362. ↩︎